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Seite:De Memoiren einer Sozialistin - Lehrjahre (Braun).djvu/482

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Baron Wolkenstein,“ herrschte er Hermann an. „Habe gar keine Ursache, Herr von Langenscheid,“ antwortete dieser, lehnte sich breit in den Stuhl zurück und steckte die Hände in die Hosentaschen. Ich umklammerte hastig die heißen Finger meines Verteidigers. „Mach doch keine Geschichten, Fritz –, Hermann ist taktlos wie immer – bitte, mir zuliebe, beruhige dich! – das ist ja gräßlich – hier, im Hause meiner Eltern!“

In diesem Augenblick fingen die Verwandten im Nebenzimmer an, sich zu verabschieden. Fritz zog mich beiseite. Er zitterte vor Erregung.

„Und du verteidigst dich nicht einmal gegen solche Gemeinheit,“ flüsterte er mit erstickter Stimme.

„Verteidigen?! Vor solch einem Menschen?!! Soll ich ihm vielleicht eingestehen, daß ich einmal im Leben liebte, – mit ganzer Seele und mit vollem Herzen?! Soll vor den Leuten, die gar keiner starken Empfindung fähig sind, mein Inneres entblößen, was ich vor mir selbst zu tun kaum den Mut habe?“

„Alix!“ von weit her schien jemand meinen Namen zu rufen, mit einem Ausdruck, der mir in die Seele schnitt.

Im nächsten Moment beugte ich mich zum Abschied über die welke Hand Tante Jettchens, hörte mit halbem Ohr ein allgemeines Stimmengewirr und fühlte schließlich noch Papas Lippen auf meiner Stirn.

„Gott Lob,“ murmelte er, „den Abend hätten wir hinter uns!“


Empfohlene Zitierweise:
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 480. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/482&oldid=- (Version vom 31.7.2018)