standen ringsumher. Wir aber suchten die Nacht und die Stille. Tief unten schmiegte sich ein von weißen Blüten übersäter Strauch an die dunkle Mauer, und ein schwerer süßer Duft breitete sich rings um ihn. Jasmin – meine Blume!
Weißt du noch, Hellmut, wie du übermütig in die Zweige griffst und ein Regen schneeiger Blätter mir auf Schultern und Haare fiel? und wie sie matt zu Boden taumelten vor dem heißen Hauch deines Mundes? Du preßtest mich wild an dein Herz, daß der Atem mir stockte, – du hättest mich morden können in jener Nacht, – mit einem Liebesblick hätt ich es dir vergolten. „Warum sagst du mir nicht, daß du mich liebst – warum bist du so still?“ frugst du, und ich seufzte, den Arm fest um deinen Hals: „Ich kann dirs nicht sagen – ich kann nicht – ich liebe dich viel – viel zu sehr!“
Droben tanzten sie wieder – wir sahen die Paare hinter den hellen Fenstern vorüberschweben –, und eine Melodie verirrte sich zuweilen bis zu uns. Wie mit kosenden Stimmen antworteten ihr die Wellen, die plätschernd ans Ufer schlugen, und fern von den hohen Baumwipfeln des Parks klang hie und da ein verträumtes Vogelzwitschern. Immer verzehrender glühten unsere Augen ineinander, verlangender, sehnsüchtiger wurden unsere Küsse.
Da verstummte die ferne Musik, ein heftiger Schreck machte dich zittern. „Wir müssen hinauf“ – sagtest du heiser und fuhrst dann hastig fort, während wir die Treppe zur Terrasse emporstiegen: „Wir müssen uns trennen – mein Dienst ist morgen zu Ende –“
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/290&oldid=- (Version vom 31.7.2018)