sie war mehr als die Jugend. In meinem Herzen aber wallte das Mitleid auf – mit dem Mann und mit der Frau.
Dann kam der König von Griechenland, – wie die meisten Könige: kein König. Und dann die Königin, – weich und licht und holdselig, wie die guten Feen aus den Märchen, und hinter ihnen der Schwarm der anderen. – Aber ich sah keinen mehr, denn aus dem Zuge heraus war Hellmut zu mir getreten.
In einem runden Turmzimmer mit bunten Fenstern saßen wir zu vier um den rosengeschmückten Tisch: Hellmut und ich, Graf Waldburg und seine Braut, die kleine Komteß Lantheim. Wir aßen nicht viel, aber unsere Gläser klangen immer wieder aneinander, und prickelnd floß der eisige Sekt durch unsere Kehlen. Leise und schmeichelnd tönte von fern die Musik.
Im goldenen Saal, durch dessen Fenster die Glut des Abendhimmels hineinströmte, während viele hunderte flammender Kerzen alle Wände und Pfeiler aufleuchten ließen wie gelbes Feuer, wurde getanzt. Es war noch fast leer, als wir eintraten. In wiegendem, lockendem Rhythmus klang die süße Walzerweise der „Schönen blauen Donau“ von der Estrade.
Ich lag in seinem Arm, und die Töne schienen uns zu tragen. „Alix – ich liebe dich,“ hauchte mir im weichen Takt der Bewegung seine Stimme ins Ohr – „verzehrend lieb ich dich – ich laß dich nicht los – nie – nimmermehr –“ Sein heißer Atem berührte mich wie ein zärtlich kosender Kuß, und meine Haare wehten um seine Wangen.
„Durchlaucht – Galopp – wenn ich bitten darf!“
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/288&oldid=- (Version vom 31.7.2018)