Weile mit ruhigem Ernst. „Ich brauche die Einsamkeit und – dich. Du mußt mir helfen überlegen, was aus mir werden soll!“
„So bleibe, Hellmut,“ antwortete ich rasch, aber im selben Augenblick fiel mir die Kathrin ein, und die Tante, und das Gerede der Leute; und schon kam sie selbst, meine getreue Wächterin, und sagte, nachdem sie das Geschirr möglichst langsam abgeräumt hatte:
„Soll der Christoph für Durchlaucht einen Wagen bestellen? Er geht gerad ins Dorf hinunter.“
Hellmut stieg das Blut in den Kopf. Er verstand. „Nein,“ sagte er, „ich gehe zu Fuß. Es ist nicht nötig, daß noch mehr Leute von meinem Hiersein wissen.“ Die Kathrin sah ihn zweifelnd an. „Fürchten Sie nichts für Ihr gnädiges Fräulein, Kathrin,“ fuhr er fort, „ich bin ihr bester Freund und werde nicht dulden, daß ihr auch nur ein Härchen gekrümmt wird.“ Als sie sich daraufhin stumm entfernt hatte, wandte er sich zu mir:
„O über die verdammten Rücksichten auf die Gemeinheit der anderen! Ists nicht das natürlichste von der Welt, daß wir hier zusammen sitzen? Und nun –! Ich kann nicht wiederkommen, – deinetwegen nicht!“
Ich hatte einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Zugleich kam mirs feige und erbärmlich vor, ihn so gehen zu lassen.
„Ich bin viel draußen,“ sagte ich zögernd und verlegen, „wenn du mich brauchst, wie du sagst, dann – dann könnten wir uns irgendwo treffen.“
„Hab Dank, herzlichen Dank, Alix. Aber das macht die Sache nicht besser. – Uns ein heimliches Rendezvous
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/275&oldid=- (Version vom 31.7.2018)