Mädels der Gesellschaft sind steif und langweilig wie Holzpuppen, – und wenn sies nicht sind, ists ihr Unglück.“ Ich fuhr zusammen. – „Kannst am Ende selbst ein Lied davon singen, was?! – Kurz und gut, siehst du, ich verliebte mich eines Tages in eine Ballettratte – einen süßen, kleinen Käfer, sag ich dir –“, zu dumm, daß ich mich in diesem Augenblick bis zu Tränen ärgerte – „aber gräßlich ungebildet. Ich habe sie eigentlich nur zwei Tage gern gehabt, nachher wars Gewohnheit, Mitleid, – was weiß ich“ – er war aufgestanden und ging unruhig im Zimmer hin und her, die Zigarette zwischen den Fingern zerdrückend. „Ich konnte schließlich nicht länger – ich mußte frei sein! Ihr Vater lief spornstreichs zu Mama und heulte ihr was von zerstörtem Leben, geraubter Ehre usw. vor. Mir gegenüber hatte er bis dahin den untertänig-dankbarsten Diener gemimt. Das übrige kannst du dir am Ende vorstellen!“
Ich zitterte vor Erregung. Mich hatte ein Gedanke gepackt, der mich nicht minder los ließ. „Hat sie – ein – Kind?“ stieß ich mit aller Anstrengung hervor. Verblüfft blieb er vor mir stehen. „Du bist wirklich aus der Art geschlagen, Alix,“ damit streckte er mir die Hand entgegen. „Meine Hand drauf: nein! Wäre das Unglück geschehen, ich hätte anders gesprochen! – Aber wir sind noch nicht zu Ende. Man hat mich auf Urlaub geschickt – nach Italien, wie du siehst! –, und wenn die Galgenfrist zu Ende ist, soll ich – heiraten!“ Mit komischem Entsetzen rang er die Hände.
„Wen?“ frug ich, während mir das Herz hörbar schlug.
„Wen?! Ein kleines Prinzeßchen natürlich, semmelblond
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/273&oldid=- (Version vom 31.7.2018)