immer zwei Pferde zu viel im Stall –“ antwortete Mama heftig, „und Alix’ Privaterziehung, die Tausende verschlingt, war auch überflüssig –.“ „Laß mir das Kind in Frieden!“ brauste Papa auf – „die einzige Freude, die ich habe, laß ich mir nicht vergällen – –.“
Jedes Wort traf mich ins Herz; mir hatten sie so große Opfer gebracht – mir, die ich das Schwerste über sie heraufbeschwor; – ich war meines Vaters einzige Freude – ich, die ihm das Herz brechen wollte! – Ich lief davon, verkaufte mein Schmuckstück und kam hochrot und atemlos nach Hause zurück, nur von dem Gedanken getrieben, den armen Eltern eine Last abzunehmen. Sie saßen versöhnt nebeneinander und sahen mich verwundert an, als ich Mama hastig ein paar Goldstücke in die Hand drückte. „Was soll denn das?“ frug sie, und „Woher hast du das Geld?“ mein Vater. Ich erschrak; ich hatte in meinem Eifer an die Möglichkeit dieser Frage nicht gedacht. Sollte ich die Wahrheit sagen? Das hieße auch meine übrigen Verkäufe verraten und meine Flucht von vornherein unmöglich machen. Mein Blick fiel auf das „Daheim“ mit dem Anfang einer neuen Erzählung an der Spitze. „Es ist – es ist – das Honorar für – diese Geschichte,“ kam es mühsam und stockend von meinen Lippen. Nun war ich im Netz meiner eigenen Lüge gefangen, und die Furcht vor den Folgen hinderte mich, es zu zerreißen. Die Eltern glaubten mir; mein Vater umarmte mich voll Rührung, und wenn er auch meine flehentliche Bitte, das Geheimnis meiner Autorschaft zu wahren, zu erfüllen versprach, so war er doch viel zu stolz auf den Erfolg
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/140&oldid=- (Version vom 31.7.2018)