Dazu haben sich meine Einkünfte bedeutend verringert, und ich muß mich jetzt schon sehr einschränken, um Ilse und Max, die beide Familie haben, nicht im Stich zu lassen. Du hast nicht Frau, nicht Kind, hast ein schönes Gut, – du solltest ohne weiteres auskommen.“
„Klotilde kann bei Hansens für dich eintreten,“ entgegnete er.
„Klotilde!“ Großmama seufzte. „Jede Inanspruchnahme ihrer Hilfe heißt Alixchens ganze Zukunft gefährden.“
Onkel Walter stöhnte schwer.
„Hast du noch etwas, was du mir verschweigst? – Sprich dich doch aus, mein Junge!“ schmeichelte Großmamas Stimme.
Und nun kams, wie ein Sturzbach wilder, leidenschaftlicher Worte, die schließlich Großmamas leises Weinen so wehevoll begleitete, daß sich mir das Herz schmerzhaft zusammenzog.
Ich verstand nicht alles, aber die Hauptsache prägte sich mir ein: irgendwo in der Schweiz oder in Italien bei einer der vielen Spielbanken, die damals wie Pilze aus der Erde schossen, hatte Onkel Walter sehr, sehr viel Geld verloren, und in Pirgallen standen die Dinge schlecht, da die Heuernte wieder einmal durch Überschwemmungen zerstört worden war – „ich schieße mir eine Kugel durch den Kopf, wenn du nicht hilfst,“ schloß er außer sich. Ich schrie entsetzt auf. Großmama erhob sich, ich hörte ihre Kleider rauschen, duckte mich schnell tief in die Kissen und hielt den Atem an.
„Also ein Verschwender und ein Feigling dazu!“ sagte sie; ihr hatte seine Drohung zu meinem Erstaunen keinen Eindruck gemacht. „Schämst du dich nicht? Wie viele
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/072&oldid=- (Version vom 31.7.2018)