„Hoho!“ hustete Häcksel und hustete sich blaurot vor Eifer. „Ich bin in niemandes Gewalt. Ich bin ein freier Bergwerkarbeiter. Nicht mal der Grubenherr hat mir außerhalb des Bergwerkes etwas zu sagen. Heutzutage herrscht Freiheit im Arbeitervolk. Wir sind keine altmodischen Knechte mehr.“
„Daß ich nicht lach,“ kicherte Zinnoberchen und ließ das schaukelnde Schläfenhaar los, sprang zurück und biß herzhaft dem Häcksel in das linke Ohrwatschel, so daß ein Blutstropfen, groß wie der dickste Floh, dem Burschen aus der Haut quoll.
Häcksel hielt wie immer still, wenn ihn ein Floh biß, teils um seiner Gesellschaft nicht verlustig zu gehen, teils weil er es so seit Väterszeiten im Bergwerk gewöhnt war.
Zinnoberchen setzte sich an den Blutstropfen, sagte nichts mehr und frühstückte lebhaft beschäftigt, während der arme Bursche unter den kahlen Waldbäumen ging, manchmal von Husten geschüttelt und von Hunger gekrümmt.
Als die Flöhin von Menschenblut satt war, sagte sie nicht einmal „danke“, sondern kroch unter dem Mützenrand unten durch auf Häcksels Kopf, wo die Luft zwischen Haar
Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/94&oldid=- (Version vom 31.7.2018)