Er suchte sie zu beruhigen: „Nein, das mag ich nicht sehen, Du weinst ganz wie Mama geweint hat! Was haben sie Dir denn gethan?“
Sie ließ ab, ihre Augen schimmerten hell durch die Thränen, sie lächelte ihn an. „Gar nichts Besonderes. Ich bin dumm. Ich habe es mir nur so manchmal vorgestellt – es ist nichts als die Überraschung!“ Dann saßen sie wieder nebeneinander und sprachen von ihren Briefen. „Wie Du mich manchmal geärgert hast, Axel –“
„Ja, weißt Du, das ist gesund, und weshalb nimmst Du Dir auch alles so zu Herzen?“ Sie verstummten, sahen sich froh und staunend an.
„Und jetzt kommst Du zu uns, Axel?“
„Natürlich, sie können mich doch nicht hinauswerfen!“
„O, keine Rede, auf Dich sind sie kein bißchen schlecht zu sprechen, alles ich!“ Ihre Lippen zuckten bitter.
„Aber wenn wir jetzt zusammen ankommen?“
Lisbeth schüttelte den Kopf. „Nein, das geht keinenfalls, lieber warte Du auf dem Bahnhof, als wärest Du mit dem nächsten Zuge gekommen, und ich sag nichts, daß ich Dich schon gesehen habe.“
„So machen wir’s! Ich bleibe über die ganzen Weihnachtsferien, wenn die Alten mich nicht hinauswerfen.“
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/361&oldid=- (Version vom 19.8.2019)