Und dann die Theologen, die bei Papa verkehren – ich sage Dir, ebenso beängstigend, wenn auch nicht so unangenehm meistens! Ich muß Dir nämlich beichten, daß ich mit einem jungen Pastoren heimlich verlobt war, ein Jahr lang; es war sehr schön, aber auch sehr schrecklich für mich; ich glaubte, als es aus war, ich würde mich nie wieder erholen. Nämlich es war so: ich mochte ihn wirklich sehr gern, er hatte ein so schönes feines Gesicht, solche wundervoll feierliche weiche Stimme und sagte immer, alle Menschen wären von Natur aus edel, und alles Verkehrte sei nur Krankheit. Das war doch sehr anziehend, nicht wahr? Aber nun kam es bald heraus, daß er von mir sehr, sehr viel verlangte, unbedingten Gehorsam, Unterordnung in jeder Beziehung, eigentlich geradezu blindes Folgen. Da ich mich aber so gezwungen sah zu dem, was ich freiwillig gewiß gethan hätte, kam ich dazu, ihm zu trotzen, und behauptete, ich sei keine dienende Natur. Da wurde er traurig, sprach von Krankheit der Seele, das normale Weib finde seinen ganzen Beruf in der Liebe zum Manne, und wollte mich jeden Tag bekehren oder doch zum Eingeständniß meiner Verkehrtheit bringen. Es waren fürchterliche Monate. Zuletzt steckte er sich hinter Papa, der ihn sehr gern zum Schwiegersohn gehabt hätte – ach, wie schlecht und verworfen bin ich mir damals vorgekommen! Papa sagte mir zuletzt in vollem Zorn: „Du bist eines solchen Mannes
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/336&oldid=- (Version vom 31.7.2018)