Nimm’s mir nicht übel, wenn ich grob bin, aber mich ärgert das ewige Gewinsel von Eurer Unfreiheit, von Eurer Sklaverei. Es ist einfach nicht wahr. Wenn eine Frau Geist und Talent gehabt hat und dazu die nöthige Willenskraft, sich in der Welt durchzusetzen, so hat sie sich durchgesetzt, zu allen Zeiten. Beweise dafür gibt es in Menge, wenn mir auch gerade keine einfallen. Ihr wundert Euch immer, daß die Papas und die Mamas Euch nicht in den Arm nehmen und dahin tragen, wohin Ihr wollt, Ihr trägen Puppen! Hättet Ihr ein klein bißchen Psychologie gelernt, nur so durch Beobachtung, so würdet Ihr wissen, daß die ältere und die neuere Generation nie gleiche Wege gehen kann, daß es ebenso naturwidrig wäre, von Deinem Papa allen Vorschub für Dich zu erwarten, wie für Dich, im alten Regime zufrieden und wohl zu bleiben. Man muß den Mund aufmachen, mein Fräulein, und da mit den Jahren das Gehör etwas zu leiden pflegt, so muß man ihn oft weiter aufmachen, als einem selber lieb ist.
Daher gefällt mir Dein Plan sehr schlecht, Dich heimlich aufs Lehrerinnen-Examen vorzubereiten. Du sollst sehen, da wird nichts draus. Deine Eltern sind doch keine Unmenschen! Setze ihnen nur alles frisch und frei auseinander, damit sie Dir Zeit und einen ruhigen Ort zum Lernen gewähren; so viel werden sie doch wohl thun. Meinen lieben Pastoronkel Markwort,
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/318&oldid=- (Version vom 31.7.2018)