ihr denn vorher sagen, daß die Lotte nicht kommt? Dann rührt sie keinen Bissen an, und Laubfrösche, das ist ein so langes Geschäft, soll sie denn zwei, drei Stunden umsonst gewiegt, gerührt, gebrutzelt haben? Wiederum, wenn er sie essen läßt, und sagt’s ihr nachher? Da bekommt’s ihr nicht, macht sie elend, ja sterbenskrank, alle Aufregung schlägt bei ihr auf den Magen, und ihm geht es ebenso. Sie sind nicht wie andre Leute. Immer ganz droben oder ganz drunten, alle beide. Die Lotte war das ruhige Element, so sonderbar das ist. Das Kind konnte so wundervoll lachen; von kleinauf schon. Wenn es hinfiel und die Mutter todtenbleich und zitternd aufschrie, als seien ihm alle Knöchlein zerbrochen, – immer hat es schnell die Thränen verschluckt und gelächelt: „I bin scho wieder auf!“ Wie soll man so ein Kind nicht vergöttern! Zwei Jahre fort, zwei lange Jahre! Und nun soll zu den zweien noch ein drittes kommen, ein langes, langsam schleichendes Jahr. Und dann nachher? Wenn man auch nur ein wenig in die Zukunft sehen, ein Zipfelchen von dem dunklen Schleier heben könnte! Wird sich’s denn auch lohnen? Wird die Stimme ausreifen, das musikalische Gefühl sich bewähren? Wird das Mädel mehr Glück haben als ihre Eltern? Vorsicht im Urtheil mag ja gut, nothwendig sein, aber der Teufel halte es aus, so im Dunkeln gelassen zu werden! – Und nun, – nun ist da die
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/288&oldid=- (Version vom 19.8.2019)