„Du hast ihm überhaupt keine Küsse zu geben! Bei mir im Hause – ein junges Mädchen und schämt sich nich –“ sie schlug mit der flachen Hand auf das Betttischchen, daß der Leuchter tanzte. „Du bist klug genug, Du weißt, daß sich das nicht paßt. Ich denk’, mich soll der Schlag rühren“ – –
„Ich hab’ mich auch so furchtbar erschrocken,“ stammelte Annita mit niedergeschlagenen nassen Augen.
„Ja, das glaub’ ich woll!“ höhnte die Mama. „Sag’ mir, Du Unglückswurm, habt Ihr das schon mehr gethan?“ – –
„Gott, Tante, wie kannst Du so was denken – – ach, es ist ja nur so gekommen – weißt Du“ – – Annita weinte.
„Du bist ’n überspannte Deern“ sprudelte Frau Severin, „na komm! wir woll’n es man Adelheid gar nicht erzählen, hörst Du? na ja, na ja, ich will das je gern glauben, daß da keine Liebelei hinter steckt“ –
„Keine Spur“, schluchzte das Mädchen mit dem Kopf auf Mama Severin’s Schulter. – „mit solchem dummen Jung“ –
„Aber das Gesabbel will ich auch nicht, hörst Du woll? Was is das für ’n Manier? So ’n paar Gören! ’n Mutter haben sie auch nich mal! Na, nu heul’ man nich mehr. Der Schlingel von Jung hat auch all geheult. Was von Schlechtigkeit und keinen Schuß Pulver werth sein – – weißt Du, was das
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/265&oldid=- (Version vom 31.7.2018)