„O!“ Annita genirte sich und fürchtete doch, sich’s merken zu lassen, eben weil Adolf so harmlos dabei war. Mama hat recht, er ist ein reines Kind, dachte sie gerührt, er weiß noch gar nicht, wie unpassend solche Bilder sind. Hätte ich es nur stillschweigend beiseite gebracht! Das geht ja noch übers Ballet, keinen einzigen Rock, und ziemlich dick schien sie mir sogar zu sein. Sie betrachtete Adolfs rothbraunes Gesicht, die kleinen Augen, die runde Nase, den dicken Schnurrbart über dem rothschimmernden Munde. So kindisch ist er doch nicht mehr, – nein, es gehört schon ein ziemlicher Stumpfsinn dazu, solche Photographie in der Tasche zu tragen und sich nicht zu schämen. Ach nein, die Männer – –
Für einige Zeit verließ sie das Kinderzimmer, half Mama in der Küche und hackte Petersilie, immer nach der Melodie: „Dickes Trampelthier.“ In ihrer Phantasie schwoll Miß Adamina von Augenblick zu Augenblick mehr auf, bis sie wirklich so dick war wie ein Koloß. Laß ihn nur allein sitzen! laß ihn sich nur mit seinem Trampelthier im Badekostüm trösten, dachte sie rachsinnig; also das ist sein Geschmack! reizend, wahrhaftig: Und auf der andern Seite bin ich sein Geschmack? O pfui, pfui, pfui solche Schmeicheleien, für die dank’ ich. Die Männer thun jawohl alles in einen Topf, denen ist wohl alles gleich, – natürlich – Angela Rothermund, oder ich, oder dies Trampelthier,
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/260&oldid=- (Version vom 31.7.2018)