Er schauerte im eisigen Wind trotz seines großen grauen Mantels und verschrieb sich im Gehen ein Gramm Brom vor dem Schlafengehen, denn er fand sich entschieden nervös aufgeregt.
Auf sein Anklopfen antwortete nur Nolz’ durchdringende Stimme, das Herein mußte sehr matt gewesen sein. Er trat hastig ein und sah sich um, – es war fast dunkel im Atelier, nur durch die angelehnte Thür des Nebenzimmers fiel ein Lichtstreifen.
„Sind Sie es? ich komme gleich!“ sagte es müde und halblaut drinnen.
„Aha! Nun wer hat recht behalten? Es ist nichts mit dem Bild,“ rief er, fast wider Willen, im Schulmeisterton.
Darauf kam keine Antwort, nur ein unartikulirter Laut, dann trat die Malerin heraus, die Lampe in der linken Hand, mit der rechten ihre Augen schützend.
„Was ist geschehen? Sie haben doch nicht geweint?“ sagte er, ihr die Lampe abnehmend.
„Ach!“ Sie drehte den Kopf weg, aber er hatte doch schon gesehen, daß ihr Gesicht ganz verzerrt war.
Er nahm sie an der Hand und führte sie zu der improvisirten Chaiselongue, – es war ein großer Lederkoffer mit einer Matratze darauf, über die eine buntgestreifte italienische Decke gebreitet war. Für sich selbst zog er einen Hocker heran und setzte sich, immer ihre Hand festhaltend, dicht vor sie.
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/197&oldid=- (Version vom 19.8.2019)