Hausdörffers Gesicht war so lang und jammervoll geworden, daß Lore lachen mußte. „Nein, gewiß, ich hab’ auch schon gute Zeiten gehabt! Hab’ eine herrliche Fußwanderung gemacht bis zur Tiroler Grenze. Sehen Sie, das ist meine Geldkiste, die war mal ganz voll.“
Sie nahm aus einer Ecke einen alten Federkasten, wie ihn die Schulkinder benutzen, klapperig und ohne Schloß natürlich.
Richard schüttelte den Kopf. „Aber Sie sind ja der reinste Student, Fräulein, so was hätt’ ich bei einem deutschen Mädchen für ganz unmöglich gehalten.“
„Ach, Sie haben wohl Ehrfurcht vor dem Geld?“ sagte sie geringschätzig. „Ich hass’ es geradezu! Weil man es so braucht und ewig daran denken soll, es zu kriegen. Einmal hab’ ich ein paar kleine Aquarelle gemacht zur Vervielfältigung in England. Die Zahlung kam nicht in Geld, das man gleich ordentlich ausgeben konnte – wie ich doch mußte – sondern so dumm auf einem Zettel, einem Check, und der ging dann noch mal auf die Wanderung nach der Londonbank oder so – kurz, ich wartete damals vierzehn Tage, Brod und Kakao, weiter hatt’ ich nichts. Meinen Sie, ich hätte mich gefreut, als diese schmutzigen Papierfetzen endlich ankamen, um mich zu erlösen? Gezittert hab’ ich vor Wuth bei ihrem Anblick, geweint und die Fäuste geballt, um ein Haar hätte ich sie zerrissen!
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/191&oldid=- (Version vom 31.7.2018)