ihm wohnten. Auch dort wohnte ja ein Gläubiger – vorausgesetzt, daß die Damen noch nicht nach Karlsruhe zurückgekehrt waren. Er führte eine ganz unterirdische Existenz, um ihnen nicht zu begegnen; schließlich, nachdem er tagelang mit Niemand gesprochen, als mit seinen wackeren Strohmeiersleuten, begab er sich auf die Suche nach der Malerin. Eine Adresse hatte er nicht, aber dies Hineingucken in allerlei Wohnungen, in allerlei Ateliers hatte auch seinen Reiz, da er sich gerade so sehr vereinsamt fühlte. Er redete sich ein, er mache psychologische Studien, wenn er sich in irgend einer Miethskaserne von irgend einem leidlich hübschen Fabrikmädchen die Chronik des Hauses und seiner Insassen deuten ließ, wenn er aus eigener Anschauung beurtheilen lernte, wie das Mittagessen im fünften Stock zusammengesetzt war, – dazu wunderte er sich auf Schritt und Tritt über die Summe von Lebensmuth, gutem Willen und gutem Humor in jenen Schichten, wo er nach den Büchern, die er gelesen, nur Bitterkeit oder stumpfe Verzweifelung zu erwarten geglaubt. Er erhielt mehr als eine Lektion.
Und endlich fand er auch Lore Berth in einem Mansardenatelier in der Theresienstraße, Hinterhaus. Ihre Karte war mit zwei Haftnägeln an der Thüre befestigt. Der Hund bellte, ein gleichgültiges „Herein“ ertönte, und zögernd trat er in den bunten, winkligen, oberlichterhellten Raum, – es war ihm mit einem
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/179&oldid=- (Version vom 19.8.2019)