sein. Auf ihre Bitte, sie anzumelden, hatte man ihr gemächlich bedeutet, nur selber anzuklopfen, der Herr sei vor einer Stunde heimgekommen. Sie pochte zwei-, dreimal, zaghaft, mit schalldämpfendem Handschuh.
„Was ist da los?“ rief es plötzlich drinnen, und ein Stuhl fiel um.
Das war ein Empfang! Die stattliche Dame prallte einige Schritte zurück, dann rückte sie wieder heran. Sie hatte in der burschikosen Anrede deutlich Richards Stimme erkannt. „Könnte ich Sie nicht einen Augenblick sprechen, lieber Doktor?“ sagte sie laut und süß. Himmel, da lachte es hinter der Thür! Der Unmensch konnte lachen, während Toni den ganzen Tag über ihr zerstörtes Leben jammerte.
„O je, nein, jetzt nicht!“ schrie Hausdörffer, als sie noch einmal, und nun mit der Sonnenschirmkrücke, klopfte, „machen Sie mich nicht unglücklich – ich komme sofort hinunter, das heißt –“ Neues Lachen.
Zornig und ganz aus der Fassung stieg die Besucherin die knarrenden drei Stiegen hinab, um unten zu warten. Aber wo unten? In dem qualmigen Schenkzimmer unter den biertrinkenden Bauern? Oder auf dem Hof, wo die Hühner im Dunghaufen pickten und der Hund an der Kette knurrend gegen sie fuhr? Sie stellte sich zuletzt an die Kegelbahn und sah gedankenlos die Kugeln rollen, hörte das Poltern an den losen Planken, und dachte, daß er vielleicht nicht so unrecht
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/169&oldid=- (Version vom 31.7.2018)