die er mit so viel heftigem Enthusiasmus vertrat, glatt hinunterzuschlucken. Die meisten der „Genossen“ kannten solche Skrupel nicht; sie lebten wie die Lilien auf dem Felde von den Monatswechseln der Papas, immer unter der Verkündigung des Prinzips, daß Arbeit die Pflicht aller sei, und daß nur die Ausübung der allgemeinen Arbeitspflicht die Gesellschaft retten könne. Aber er wollte nicht sein wie die anderen, und er ärgerte sich, ärgerte sich, daß er sich füttern lassen mußte wie ein Schulknabe. Füttern und schelten! Wie viele Jahre das nun schon so ging, es war zum Verzweifeln! Und bis wir den Zukunftsstaat haben, wo jeder sein Leben verdient, einfach dadurch, daß er täglich drei oder vier Stunden an einer Maschine steht, kann man alt und grau werden. Da blieb schließlich nichts übrig, als sich ans Studium zu halten – es war ihm schon wie eine wohltönende Vorbedeutung, daß die neue Wirthin ihn von Anfang „Herr Doktor“ geheißen. Er sagte nicht nein, obwohl er roth wurde; schade, daß sein Papa und der ebenso sarkastische Schwager nicht hören konnten, mit welcher Achtung man ihn hier behandelte! die hätten sich ein Beispiel nehmen dürfen.
So kräftig war sein Entschluß, daß er bis über die Osterferien anhielt; er ging nicht heim, wie die Eltern es gewünscht, sondern blieb die zwei stillen langweiligen Monate, wo es in den Züricher Straßen
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/14&oldid=- (Version vom 31.7.2018)