entschuldigen, aber geschmackvoll ist’s nicht, die Menschheit so zu uniformiren!
Wieder preßte und streichelte er das Beutelchen in seiner Tasche, als wär’s etwas Lebendiges. Er entsann sich der Worte, die er an Toni gerichtet: „Studieren Sie auch, mein Fräulein?“ und ihres erschrockenen „O nein!“ Es war ordentlich, als hätte er ihr etwas zugetraut, das nicht „ladylike“ ist. Und es war auch eine alberne Frage an ein junges Mädchen in feschem Touristenkostüm, wenn man ihm zum erstenmal auf dem Ütliberg begegnet, und wenn dieser Ütli auch zehnmal oberhalb Zürichs und seiner gepriesenen Hochschule liegt. Aber seine Phantasie war damals so angefüllt mit Studentinnen, kurzgeschnittenen und langhaarigen, daß er jedes junge flottgeschürzte weibliche Wesen für eine von der Zunft nahm. Natürlich, als dann die Mama auftauchte und der ganze Hofstaat der Verwandten, war’s ihm klar, daß er sich mit seiner Frage blamirt hatte. Und schlimmer als das, diese Frage hatte ihm das reizende Geschöpf mit dem langen geschmeidigen Hälschen kopfscheu gemacht; es bewegte sich hurtig von ihm weg, antwortete kurz und befangen, lauter „ja“ und „nein“ und „o gewiß“ und „selbstverständlich“ und blickte ihn nur zuweilen mit zusammengezogenen Brauen trotzig, herausfordernd an, – o der süße, dumme Backfisch! Toni! Toni! und immer Toni!
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/100&oldid=- (Version vom 31.7.2018)