eingemauerten Wappenschildern und glänzenden Messingschlössern an den Thüren. Nicht ein einziger Student wohnte darin, sondern lauter solide, wohlhäbige Vollbürger, die ihren guten Wein im Keller hatten und um zehn Uhr zu Bette gingen; Männer mit ehrfurchterweckenden Uhrketten auf Sammtwesten und Kotelettbärten, Leute, die wenig Mägde hielten, weil ihre Frauen sonst nichts zu thun gewußt hätten – ein stilles, reservirt blickendes Haus, das sich etwas darauf zu gute that, nicht modern zu sein, weil modern ihm soviel wie leichtfertig und armschluckerhaft bedeutete.
Und in diese Umgebung er hinein mit seinen zweiundzwanzig Jahren, seinem Widerwillen gegen das Hergebrachte, das ehrwürdig genannt sein wollte, nur weil es alt war – mit seinem Spürsinn für faule Flecke und unklare Verhältnisse, mit seiner Anbetung der socialistischen Idee, die er idealisirte, zum Evangelium der Zukunft machte, mit seinem jungen Weltverbesserermuth und seinem täglichen, stündlichen Verzweifeln an sich selbst. Es war ihm auch selber jedesmal ein wunderliches Gefühl, die glatt und glänzend braun gewichsten Treppen hinan zu stürmen, und in den ersten Tagen war es ihm sogar passirt, daß er den Schritt unwillkürlich dämpfte, wenn weiter oben oder unten eine Thür geöffnet wurde; nicht etwa aus Befangenheit, wie er entschuldigend zu sich selber
Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/10&oldid=- (Version vom 19.8.2019)