Decan zu Innsbruck, jetzige Domherr zu Brixen, zu preisen und öffentlich zu empfehlen nicht müde wird. Es sind die Redemptoristen, denen man die Wiederaufnahme dieser alten jesuitischen Erfindung verdankt. Der Verlauf der Unternehmung aber ist ungefähr folgender:
Wenn ein Pfarrer sich bewogen gefunden hat eine Mission zu erbitten, so ergeht die Verkündigung, und alles Volk richtet sich ein, acht oder vierzehn Tage zu feiern. Die Wirthe, welche große Gönner der Missionen sind, und etliche Andächtige der Gemeinde schießen einen Zehrpfennig zusammen und übernehmen die unentgeltliche Verpflegung der geistlichen Gäste. Sind dann diese mit festlichem Gepränge empfangen, so beginnen die Uebungen, theils in der Kirche, theils auch außerhalb, wobei von einer rothausgeschlagenen Bühne herab gepredigt wird. Den Anfang bilden die Standespredigten nach vier Abtheilungen, nämlich für Junggesellen, Jungfrauen, Ehemänner und Weiber. Es fehlt dabei für die ledigen Leute nicht an ausführlicher Schilderung der Gefahren der Keuschheit, und mit den verheiratheten werden weitläufig die Geheimnisse des Ehebunds besprochen. Alles Volk das herbeigekommen, legt nun auch die Beichte ab. In dieser werden die Bußfertigen sehr eindringlich geprüft, mit unermüdlichem Eifer, aber ungemein wenig Menschenkenntniß. Da soll die innerste Falte des Herzens sich öffnen, und deßwegen wird insbesondre die Jugend oft nach Lastern gefragt, von denen sie sich vorher nichts träumen ließ. Folgt dann in schwarzbehängter Kirche die Bußpredigt im Großen, der Kern des Ganzen. Dazu wird gerne ein wohlgestalter junger Priester gewählt, der mit süßer Tenorstimme einzudringen weiß in die Seelen des schwachen Geschlechts, denn diesem steht die Initiative der Empfindung zu. Er ergeht sich zuerst über die Erbsünde, die Verdorbenheit der menschlichen Natur und über die Nothwendigkeit der Entsündigung durch Buße. Dann schlägt er ein öffentliches Bekenntniß der Sünden vor, und da diese Idee zunächst keinen Anklang findet, so beginnt er mit öffentlicher Selbstanklage. Er sey selbst ein unwürdiger Priester, selbst voll Sünden und voll Laster, sey nicht werth hier oben zu stehen und die priesterlichen
Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München: , 1846, Seite 655. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_663.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)