Alpenbesucher so höchlich ergötzt. Von der Hütte an ging’s
immer sachte abwärts durch lichten Wald, bis ich den Weg
verloren hatte. Glücklicherweise hörte ich hier etliche ferne
Schläge im Gehölz. Diesen ging ich nach und kam zu einem
Haufen Holzarbeiter, die einen Fichtenstamm nach dem andern
zur Erde brachten. Sie wiesen mich zurecht, aber es
vergab nicht viel, denn es gelang mir immer nicht, einen
getretenen Pfad herauszufinden. Nach längerem Umherirren
zwischen Sumpf und Alpenrosenhecken, die eine jähe Felsenwand
verdecken mußten, da aus fast senkrechter Tiefe eine
grüne Wiese heraufschimmerte, nach manchem vergeblichen Versuche,
einen nahen Ausweg zu erspähen, gewahrte ich endlich
den Runst eines lärmenden Baches, in den ich mich hinunterließ.
Ich verfolgte ihn von einem trockenen Stein auf den
andern springend, bis ich unter seiner Leitung ans erste Haus
von Hafling kam und damit aller Fährlichkeit und allem Bangen
vor Verirrung entrissen war.
Stellung und Lage dieses Dörfchens sind ungemein lieblich, und so zu sagen elegant, gebirgisch elegant. Unten in der Schlucht, die hin und wieder Düsterheit gewährt, ein rauschender Bach, begrüßt von dicken Büschen, daneben ein Häuschen, eine Mühle, vor der Thüre eine Schützenscheibe, ein steinbelegtes Dach, ein silberner Wasserguß. Ueber diesen Bildchen ein ansehnlicher Stoß Felsen, nicht ohne Bäume, nicht ohne Wasserfall. Ueber den Felsen hin und wieder ein breites Kornfeld, anmuthig umgrünt, Häuser, Obstgärten, zwischen Lärchenbäumen ein Kirchenthurm, Strohdächer, die aus schmalen Thälchen hervorragen, da und dort eine Capelle, ein Bildstöckel. Weiter oben das Geschröff, auf dem ein dunkler Schopf von würdevollen Tannen, auf den Höhen Wälder, dick und licht; überall Wege und Stege, Geländer, Brückchen, Zäune, arbeitende Landleute, wandernde Pilger – kurz alles zusammen so niedlich, reich und bunt, daß ein Süddeutscher es nicht anders nennen kann, als eine Gegend wie in der „Krippe.“
Am andern Ende des Dörfchens steht die alte Kirche St. Katharina, zubenannt „in der Scharte,“ schon 1251 von
Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 405. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_413.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)