Bei unsrer Absicht zuletzt noch einiges über den Charakter
der Vorarlberger zu sagen, finden wir einen willkommenen
Anhaltspunkt in den Schriften des zu Bregenz gebornen und
ebendaselbst im Jahre 1822 verstorbenen Priesters Franz Joseph
Weizenegger. Diese sind lange nach dem Tode desselben
und zwar im Jahr 1839 zu Innsbruck in drei Bänden herausgegeben
worden und führen den einfachen Titel: Vorarlberg.
Am Schlusse des ersten Bandes finden sich ausführliche Betrachtungen
über jenes Hauptstück. Sie thun zwar deutlich
dar, daß Franz Joseph Weizenegger ebenso gut wie Johann
Christian Zangerl zu Ischgl im Paznaun die Zeiten seiner
Jugend für unbedingt besser hielt, als jene, die er in seinem
Alter sehen mußte, enthalten aber dabei viele mittheilenswerthe
Wahrheiten und sollen deßwegen hier wenigstens in Kürze
vorgetragen werden.
Weizenegger also preist zunächst das alte Glück seines Vaterlandes, daß Oesterreich, als es die vorarlbergischen Herrschaften eine nach der andern an sich brachte, alle Rechte und Freiheiten ehrte; daß es, zu ferne um von allen kleineren Angelegenheiten Einsehen zu nehmen, und zu sehr mit den Schweizerkriegen beschäftigt, um nicht für die günstige Stimmung des Volkes ängstlich Sorge zu tragen, den ständischen Befugnissen allen Raum gab sich kräftig zu entwickeln. Der Vorarlberger aber sey stolz gewesen auf seine Verfassung, und da Adel und Geistlichkeit keinen Einfluß auf die Landesverwaltung genossen, so habe er kriechende Unterwürfigkeit gegen Vornehmere nie gelernt, während er dem selbsterwählten Landammann
Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_186.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)