Stellen, die einträglichsten Ämter, wer regiert nicht nur das Reich, sondern auch den König; wer umgibt ihn wie eine Mauer, daß er sein eigenes Volk nicht sehen kann? Die Aristokratie –“ das weckt den Haß in der leidenschaftlosesten Seele, den Haß, der zum Beil und zum Feuerbrand greift, wenn er ein Schwert nicht zu führen gewohnt ist.
Geduld, Frau Marquise. Der dritte Stand, der sich selbst befreit, wird alle Unterdrückten und Entrechteten befreien – auch Sie!
Teuerste Frau Marquise. Ihr Schweigen läßt mich fürchten, daß ich Sie unbewußt verletzt haben könnte? Das würde ich aufrichtig bedauern, denn gerade jetzt, wo man sich gewöhnt hat, seinen besten Freunden mißtrauisch gegenüberzustehen, – bis in die Intimität hinein reicht der Parteihader –, sollte kein Band zerrissen werden, das noch so leise mit einem Anderen verknüpft.
Die Wahlkämpfe in den Provinzen haben die Luft förmlich mit Sprengstoff gesättigt; selbst Necker ist besorgt und versucht, die Maßlosigkeit des dritten Standes einzudämmen. Aber die Presse kennt keinerlei Rücksicht mehr; schon jetzt ist in ihren Augen die konstitutionelle Monarchie, die
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 456. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/462&oldid=- (Version vom 31.7.2018)