Sie waren zu den königlichen Kindern gegangen. Bald darnach kam der Dauphin langsam, in Nachdenken verloren zu seiner erhabenen Mutter; seine dunklen Augen blickten fragend aus dem schmalen Gesichtchen, er hob die kleine blasse Hand zu ihr empor, – „ich glaube,“ sagte er kopfschüttelnd, „die Frau Marquise Montjoie hat geweint.“
Sind so viele Tränen nötig gewesen, holde Freundin? War der Moment nicht der geeignete, um – zu bleiben, während der Marquis ging? Als uns vor einem Jahr die Nachricht von der Geburt Ihres Kindes erreichte, als dann der Marquis voll väterlichem Stolz von seinem Sohn und Erben sprach, war es mir gleich vollkommen klar, daß Sie nichts getan hatten, als Ihre Pflicht. Aber nun sind Sie ihrer entbunden, – kommen Sie zurück, schönste Marquise, ehe der Abgrund zwischen uns unüberbrückbar wird.
Meine Devise bleibt: „Ma vie au roi, mon coeur aux dames;“ seien Sie barmherzig und werden Sie nicht die Ursache, daß der zweite Satz mit dem ersten in Zweikampf gerät
Verehrte Frau Marquise. Mit einer fluchtähnlichen Hast hat die Familie Montjoie Paris verlassen. Und doch wäre es von solchem Interesse
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 410. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/416&oldid=- (Version vom 31.7.2018)