der Frau kaum noch Beachtung. Jedes weibliche Wesen wird als Kurtisane gewertet, und wenn sie Erfolg haben will, muß sie mit der Kurtisane konkurrieren.
Wir, schönste Frau, ein kleines Häuflein Verehrer der Vergangenheit, sind vor Paris und seinen Reformen bis nach Saint-Cloud geflohen, um jetzt schaudernd zu bemerken, daß die Reformen in Gestalt des Herrn von Calonne uns folgen. Der Kauf von Saint-Cloud, den die Königin ihm schließlich abtrotzte, hat ihn um den letzten Rest seiner Ruhe gebracht. Selbst für die Polignac, die seinen allzeit offnen Geldbeutel dem Herzoginnentitel vorgezogen hätte, ist er der Mann der zugeknöpften Taschen.
Kommen Sie, teuerste Delphine, um uns durch den Reichtum Ihrer Schönheit und Ihres Geistes den schauderhaften Anblick gähnend leerer Schatzgewölbe vergessen zu machen. Bringen Sie der Königin frische Luft aus den Vogesen. Sie leidet sehr, und der kleine Dauphin ist wie die Verkörperung ihrer Sorgen. Ein frohes Ereignis genügt jedoch, um sie aufzuheitern.
Als sich die reizende Komtesse Turpin mit dem Marquis Lemierre verlobte, wurde die Gelegenheit gleich zu einem Fest benutzt; wir erschienen alle im Hofkostüm der Regentschaft und träumten uns in jene schöne Zeiten zurück. Ein Bonmot des feistvollen Vaters der Braut machte die Runde. Lemierre,
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 402. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/408&oldid=- (Version vom 31.7.2018)