süße Delphine, die Du unser Glück zerstörst aus lauter grausamer Güte!
Weil einem alten Manne plötzlich die Laune packte, sich mit seinem schönen jungen Weib der Welt zu zeigen, warst Du sofort bereit, ihm zu willfahren? Du behauptest ihm Dank schuldig zu sein. Wofür?! Weil er Dir Freiheit läßt. Tut er es vielleicht aus Güte, oder nicht vielmehr aus Selbstsucht? Er stört Dich nicht, weil er in seinem dunklen Beginnen nicht gestört sein will. Und weil er unsere Beziehungen nicht sieht, nicht sehen will, hältst Du ihn für einen entsagenden bewundernswerten Freund. Ich halte ihn für einen jämmerlichen Feigling! Dir erscheint als ein bescheidener Wunsch, worin ich die Geltendmachung verbriefter Gattenrechte sehe. Er kümmert sich nicht um Dich, solange es ihm paßt, er fordert Dich, sobald die greisenhafte Lust ihn reizt. Und Du beugst Dich seinem Verlangen! Mich, den die Natur selbst Dir angetraut hat, dem Du allein gehörst im Namen ewiger Liebe, mich ließest Du von Dir gehen!
Du sagst, der Marquis sei unglücklich. – Auch zu einem großen Unglück gehört ein großer Mensch; dieses Mannes Unglück ist klein, kalt, verächtlich, und Du willst ihm unser großes, heißes überreiches Glück opfern?!
Du sagst, er ertrüge es nicht, wenn Du den Mut der Wahrheit hättest. Was wäre verloren,
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 362. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/368&oldid=- (Version vom 31.7.2018)