mir vor, was ich schreibe, neben dem einen großen Gefühl, das mich beherrscht und das sich nicht in Worte fassen läßt. War es nicht doch Wahnsinn, daß ich von Dir ging? Ist nicht alles – alles einerlei, wenn ich nur Dich habe?! Delphine, Du geliebte Frau, was hast Du aus mir gemacht?! Das ganze Gebäude meines Lebens ist wie ein Kartenhaus vor dem Hauch Deines Mundes.
Hast Du mich so lange auf einen Brief von Dir warten lassen, Geliebteste, damit alle anderen Empfindungen von der Glut meiner Sehnsucht verzehrt werden?! Und nun fragst Du mich, als wüßtest Du nicht im selben Augenblick schon die Antwort: „Darf ich kommen?“ Wenn es zwischen uns etwas gäbe, das nur im entferntesten einem Befehl oder einem Verbot ähnlich sähe, so würde ich sagen: „Du mußt!“ Du mußt, denn wenn ich auch lebe, atme, spreche, so bin ich es doch nicht selbst: mein ganzes Ich ist ja bei Dir! Nichts als ein Automat geht durch die Straßen von Paris, über das Parkett von Versailles. Komm, komm, so rasch deine Pferde den Weg von Froberg hierher zurückzulegen vermögen!
Die Königin frug oft nach Dir. Der liebenswürdige Empfang, der mir zu teil wurde, hatte
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/344&oldid=- (Version vom 31.7.2018)