daß Sie in Straßburg nicht so auf der Höhe der allerneuesten Mode stehen, um sich durch eine Turteltauben-Ehe fesseln zu lassen, und daß Sie nicht zu den Getreuen Cagliostros gehören, schon weil der Herr Marquis dazu gehört. Ich traf ihn erst gestern in der Loge des Großmeisters, wo die reizendsten Frauen und die vornehmsten Kavaliere in schauerndem Entzücken der Mysterien harren, die ihnen der wieder erstandene Priester der Isis enthüllen will.
Was mich zu ihm trieb? Die Spielleidenschaft –, sein Schmelzofen ist wie Würfel und Karten: er schafft und er verschlingt Vermögen. Die Neugierde –, in der Welt, die wir bis zur Neige ausgekostet zu haben glaubten, sind die okkulten Wissenschaften die neue, große Sensation. Überdies: ein Priester, der Gold macht, bekehrt selbst den ärgsten Ketzer, um so mehr, wenn Seine Hochwürden, der Kardinal von Straßburg und Großalmosenier von Frankreich seinen Segen dazu gibt.
Man könnte glauben, Cagliostro wäre ein heimlicher Agent der Condorcet und Mirabeau: er betäubt mit seinen Hexenkünsten ihre Gegner, er fasziniert die Geister, er schläfert alles Mißtrauen ein, er lenkt die Einbildungskraft von der Nüchternheit des öffentlichen Lebens ab. Glauben Sie, es würde sich in Paris noch irgend jemand über die Belagerung von Gibraltar aufregen, wenn jeder
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/304&oldid=- (Version vom 31.7.2018)