aufzuschlagen vermochten, verging seitdem kein Tag, keine Nacht, ohne daß die Angst um Sie mir jede Ruhe benahm. In meiner ersten Verzweiflung erschoß ich den Rappen, der Sie trug; er starb unschuldig, aber ich hätte ihn nicht mehr sehen können.
Wie es möglich war, daß das ruhige Tier ohne jeden äußeren Anlaß über Stock und Stein mit Ihnen davonflog, um sich schließlich beim Sprung über die hohe Hecke zu überschlagen, ist mir noch heute ein Rätsel.
Sie waren seit langem nicht so heiter gewesen. Die mögliche Heilung Ihres Sohnes, von der Sie erzählten, machte mich mit Ihnen froh. Und der Herbsttag, der uns so sonnig umgab, schien nur ein Widerschein Ihrer Freude. Ich konnte an diesem Tage nur über Dinge sprechen, bei denen sich's lächeln läßt. Noch ganz erfüllt von der Neuigkeit, teilte ich Ihnen mit, daß unser tapferer Lafayette mit seinen Freunden sich in Amerika einzuschiffen im Begriffe wäre, um ihre Kräfte für den französisch-englischen Krieg dem Vaterland zur Verfügung zu stellen. In diesem Augenblicke sah ich Sie erblassen, sah Ihre Augen auf mich gerichtet, als wäre ich ein Gespenst, und fort ging's in wilder Jagd, als ob Sie stürzen wollten!
Mit bezaubernder Grazie haben Sie verstanden, während unserer Ritte das Gespräch von dem Thema abzulenken, auf das ich es zu richten suchte.
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/247&oldid=- (Version vom 31.7.2018)