goutte,“ schrieb mir neulich der Herzog von Chartres. Sie wissen, er hat für seine Bonmots seit einiger Zeit den Geist der Frau von Genlis zu freier Verfügung, – womit ich natürlich nichts Böses angedeutet haben will, denn Frau von Genlis spielt die Harfe und schreibt moralische Stücke für die Jugend.
Derselbe Korrespondent berichtet mir, daß Sie der Königin neuerdings von gefesselten Indianermädchen und liebenden Farmern rührende Geschichten erzählen. Ausgezeichnet, Frau Marquise! Man trägt sogar schon Federn à l'Amériquaine, und die Mode ist bei uns nicht nur Vorkämpfer, sondern Gradmesser der Gesinnung.
Auch Ihre Trabanten haben Sie gewechselt. Der kleine Chevreuse ist wohl jetzt vieux jeu? Ich wäre auch damit zufrieden, wenn ich nicht erfahren hätte, daß der Graf Guibert sich nicht ohne Erfolg um seine Stellung in Ihrem Boudoir bemüht. Er ist zwar im Augenblick sehr à la mode – ein Hofdichter, ein Kriegsgelehrter, ein Herzensbrecher – aber sein Ruf als Freidenker, seine Freundschaft mit Fräulein von Lespinasse prädestinieren ihn zum Spion, nicht aber zum Mitglied unseres Kreises.
Sie haben die Wahl zwischen so vielen, warum muß es dieser sein?
So habe ich mir sagen lassen, daß der Prinz von Montbéliard sich nur darum grollend auf sein
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/178&oldid=- (Version vom 31.7.2018)