Meine Liebe Sie verweigern mir den Zutritt, und nur, um einen noch größeren Skandal zu vermeiden, der unsere Differenzen in die Mäuler aller Untergebenen trägt, füge ich mich zunächst. Auch glaube ich, daß es tatsächlich förderlicher ist, wenn wir eine mündliche Auseinandersetzung, wie die gestrige, bis zu Ihrer völligen Wiederherstellung vermeiden. Nur, weil ich befürchte, Sie haben in Ihrer Erregung nicht alles gehört, was ich gesagt habe, will ich versuchen, mich schriftlich verständlich zu machen, wobei ich nochmals ausdrücklich betone, daß ich mich weder gestern noch heute veranlaßt fühle, etwa wie ein Schuldbewußter vor Ihnen zu erscheinen.
Ich wiederhole: Madame Paumille ist nicht meine Geliebte, was Ihre Kenntnis meines Geschmacks Ihnen ohne meine Versicherung hätte sagen müssen. Ich bin nicht zu tugendhaft, aber zu ästhetisch veranlagt, als daß ich die Absurdität begehen könnte, meine Maitresse in mein Haus zu nehmen. Der freche Brief meines Reitknechts, der Ihnen in die Hände gespielt wurde, bezeugt nichts anderes, als daß ich auf der Jagd in den Wäldern von Soultz eine Nacht bei dem Weibe zubrachte. Es wäre auch das nicht geschehen, wenn Sie, meine Teure, mir nicht gerade damals Gelegenheit gegeben
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/105&oldid=- (Version vom 31.7.2018)