entsetzt hinaus. Mit einem Aufblitzen jähen Erkennens streifen sie mich. Die Diener treiben mit rohen Worten die Träger zu ihrer Pflicht zurück. Es geht vorwärts; ich bleibe von nun an gebannt dicht hinter der Sänfte. Da –, welch tosender Lärm schlägt uns entgegen: ein Glockenläuten, das aus allen Himmelsgegenden hundertfaches Echo zu finden scheint, dazwischen Trompetensignale, und, ständig anschwellend, Menschengeschrei. Wir haben den Pont Neuf erreicht, schon ist die Seine rot überhaucht wie bei Sonnenaufgang, und von rechts her schlagen Flammen gen Himmel, als ob sie seine dunkle Wölbung sprengen wollten.
„Das Hotel de Ville brennt!“, kreischt ein altes Weib neben uns. „Mein Kind, mein Kind!“ schreit verzweifelt eine andere und stürzt sich der Glut entgegen. „Zu Sartine!“ ruft ein Mann und reißt einem der Diener die Laterne aus der Hand.
„Niemand kann ins Haus – die Kranken verbrennen – vierhundert Kranke!“ Wir stehen erstarrt.
Und die kleine Sänfte öffnet sich und mitten in der grauenvollen Nacht erscheint eine Lichtgestalt, von weißer Seide umflossen, einen Rosenkranz auf dem gepuderten Köpfchen, goldene Schuhe an den zarten Füßen. Ihre nackten Arme, ihr kindlicher Hals leuchten im Dunkel.
In demselben Augenblick kommt es über die Brücke uns entgegen, langsam – leise, nur von
Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/028&oldid=- (Version vom 31.7.2018)