Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses. | |
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Sechs Uhr schlug Big Ben auf dem nahen Turme des Parlamentsgebäudes von Westminster, als ich aus der Droschke stieg, die mich von Charing Croß nach dem Hotel Cecil gebracht hatte. Am Bahnhof war niemand gewesen, obwohl ich von Brüssel aus die Stunde meiner Ankunft telegraphiert hatte.
Im Bureau händigte man mir die während der fünf Tage meiner Abwesenheit auf dem Kontinent eingelaufenen Briefschaften aus und meldete mich durchs Telephon meiner Frau an, die sich oben in unserem Appartement befand. Sie kam mir bis zum Aufzug entgegen.
Ihr Gesicht hatte einen Ausdruck von Unruhe, fast Verstörtheit, in der Hand hielt sie zwei Telegramme aus Baden-Baden, von denen das erste die Nachricht enthielt, daß ihrer Mutter ein Unglück zugestoßen sei, und das zweite die Aufforderung, so bald als möglich nach Baden-Baden zu kommen. Unterschrift: Olga. Was ich davon hielte?
Ich wußte mir keinen Vers daraus zu machen. Daß ich vor knapp vierundzwanzig Stunden ihre Mutter noch heil und gesund gesehen hatte, durfte ich meiner Frau nicht sagen. Und deshalb konnte ihr inzwischen ja doch etwas zugestoßen sein.
Was zu machen sei? Ob wir die für Ende der Woche belegte Kabine wieder abbestellen sollten? Schon einmal hatten wir unsere Abreise von Liverpool um acht Tage verschoben, weil ich noch
Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)