Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses. | |
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„Irgend jemand muß es doch gewesen sein. Also wer?“
Ich schwieg.
„Wenn Sie es nicht selbst gewesen sind, müssen Sie den Täter kennen. Denn daß Sie mit der Tat in gar keinem Zusammenhang stehen, wird Ihnen in alle Ewigkeit nie ein Mensch glauben.“
So redeten wir hin und her, stundenlang, ohne daß etwas dabei herauskam. Schließlich mußte der Herr Doktor einsehen, daß mit mir nichts zu machen sei. Hoffentlich haben ihm die Zigarren nicht leid getan, die er an mich gewendet hat, und die Liebenswürdigkeit, mit der er mich behandelte.
Im Laufe des Nachmittags fand die Konfrontierung mit den Zeugen statt. Friseur und Portier erkannten mich wieder.
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Wohin konnte man wohl sonst noch fahren? Nach Konstantinopel? Das war denn doch etwas zu weit. Aber der Staatsanwalt hielt es für nötig, bei der Vernehmung der Pariser Zeugen zugegen zu sein. Diese Vernehmung konnte natürlich nur durch einen französischen Richter geschehen, aber er wollte dabei sein. Also auf nach Paris.
Mich nahm er nicht mit. Aber den Verteidiger lud er ein, ihn zu begleiten. Unterwegs sagte er diesem, er werde alles mögliche tun, um eine Verurteilung wegen Mordes durchzusetzen, denn wenn die Geschworenen auf Totschlag erkennten, so könnten mir am Ende noch mildernde Umstände zugebilligt werden, so daß ich mit einer verhältnismäßig geringen Gefängnisstrafe davon käme. Was unbedingt eine Kalamität sein würde.
Nach der Rückkehr von Paris fragte ich Dr. Dietz, was die Zeugenvernehmung für ein Ergebnis gehabt hätte. Nichts von Belang. Das Zimmermädchen im Hotel Regina hatte ausgesagt, daß an dem Tage vor dem Eintreffen der Mutter zwischen meiner Frau und mir ein
Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/74&oldid=- (Version vom 31.7.2018)