Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses. | |
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Man brachte mir etwas zu essen. Es war ungenießbar. Ehe etwas anderes beschafft werden konnte, wurde ich in einen Wagen gesetzt und in ein anderes Gefängnis transportiert.
Es war dies ein altes Gebäude, nicht sehr groß, mit veralteten Einrichtungen, aber die Zelle, die man mir anwies, war äußerst gemütlich: ein richtiges Bett, Tisch und Stühle, und ein riesiger, blauer Kachelofen, der eine behagliche Wärme ausströmte. Der Aufseher ließ mit sich reden. Er besorgte ein gutes Essen, das Hamburg alle Ehre machte, ein paar gute Flaschen Wein und ein paar gute Zigarren, half auch getreulich mit, daß nichts übrigblieb. Sein Dienst schien nicht sehr anstrengend zu sein, denn am Abend saß er stundenlang bei mir und klagte beweglich über das unzureichende Gehalt, mit dem man kaum eine Familie ernähren könnte, wenn nicht hie und da noch nebenher was abfiele. Ich verstand, und da man mir auf dem Polizeipräsidium – wahrscheinlich aus Versehen – mein Geld gelassen hatte, so fiel etwas ab.
Ich schlief ausgezeichnet in dem altertümlichen Bett, nahm noch ein opulentes Frühstück ein, und dann ging es wieder aufs Polizeipräsidium. Als ich in das Zimmer des Kommissars trat, sah ich hinter seinem Schreibtisch drei Herren stehen, einen kleinen, nach der neuesten Mode gekleideten, dessen Äußeres sofort den ehemaligen Offizier erkennen ließ – kann sein, daß er sogar ein Monokel trug –, und zwei massive Gestalten, Feldwebeltypen, der eine mit rötlichem, der andere mit schwarzem Vollbart.
„Hier ist der Herr Kriminalkommissar Soundso aus Baden-Baden, der beauftragt ist, Sie nach Karlsruhe zu transportieren“, begann der Hamburger und schien noch einiges hinzufügen zu wollen. Aber sein badischer Kollege ließ ihm dazu keine Zeit, sondern trat auf mich zu und schnarrte: „Der Transport geht sogleich ab. Wie Sie sich zu verhalten haben, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. Aber darauf mache ich Sie ausdrücklich aufmerksam, daß wir im Falle eines
Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/49&oldid=- (Version vom 31.7.2018)