Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses. | |
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auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft in Karlsruhe und werden beschuldigt, am Abend des vorgestrigen Tages, also des 6. Novembers, in Baden-Baden Ihre Schwiegermutter durch einen Schuß getötet zu haben. Wenn Sie etwas zu der Anklage zu bemerken haben, so steht es Ihnen frei, aber es ist, wie Sie wissen, meine Pflicht, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß, was immer Sie äußern, gegen Sie verwendet werden kann.“
Totenstille im Saal. Die forschenden Augen bohrten sich in die meinen, wie wenn sie mir das Geheimnis meiner Gedanken entreißen wollten. Ich hielt stand und nahm den Schlag hin mit einer großen Ruhe. So unfaßbar sie mir war, die Ankündigung erschütterte mich nicht, sondern weckte nur ein dumpfes Gefühl der Verwunderung. Wie absurd das war! Es mußte ein Irrtum sein.
„Sie waren an dem fraglichen Tage in Baden-Baden?“
„Ja.“
„Hatten Sie die Tasche bei sich, die der Inspektor dort in der Hand hält?“
„Ja.“
„In der Tasche ist ein geladener Revolver gefunden worden.“
Ich nickte. Ja, in der Tasche führte ich auf meinen Reisen nach dem Orient stets eine Schußwaffe bei mir. Aber ich hatte bisher noch nie von derselben Gebrauch gemacht. Ich erwähnte dies.
Mr. Smith betrat den Zeugenstand und hob den Revolver in die Höhe mit dem Bemerken, daß er in allen fünf Kammern geladen sei. Da fuhr der Gerichtsschreiber, ein klapperdürres Persönchen mit mumienhaften Zügen, auf den zufällig der Lauf der Waffe gerichtet war, tödlich erschrocken in die Höhe und schrie: „Mylord, Mylord, befehlen Sie ihm, daß er vorsichtiger mit der Pistole verfährt. Wenn sie jetzt eben losgegangen wäre, hätte mich die Kugel unfehlbar getroffen.“
Sir Albert lächelte nachsichtig und beruhigte das angsterfüllte
Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/17&oldid=- (Version vom 31.7.2018)