diesen Kreisen wird im voraus bekannt gegeben, mit Beschreibungen ihrer äußeren Erscheinung und aller Toiletten, die sie in Paris bestellt hat, man kann in den Zeitungen lesen, wie viel Taschengeld sie zu verausgaben hat, welche Handschuhnummer sie trägt, welche Blume sie bevorzugt, wer ihre Hofmacher sind. Verheiratet sie sich, so werden spaltenlange Artikel ihrer Ausstattung und ihren Hochzeitsgeschenken gewidmet und genaue Berechnungen aufgestellt, was der Bräutigam wert ist (an Dollars nämlich). Eine New Yorker Dame ist eigentlich nie allein – sie agiert beständig vor Reportern, die der neugierigen Menge die wichtige Kenntnis aller Einzelheiten ihres Lebens vermitteln. Das Bewußtsein, fortwährend beobachtet, besprochen und beschrieben zu werden, mag dazu beitragen, daß die modernen Amerikanerinnen der obersten Gesellschaftsklassen keinen Augenblick vergessen, welchen Eindruck sie hervorrufen. Sie sind immer darauf bedacht, zu gefallen, und ruhen nicht eher, bis jeder, der ihnen naht, sich ihrem Charme ganz gefangen gibt. Sie sind stets liebenswürdig, reizend und faszinierend, aber gesunden Menschen anderer Weltteile mögen diese nervösen, blutarmen Wesen oftmals etwas unnatürlich erscheinen. Sie leben hauptsächlich von Bewunderung, daneben auch noch von Eiswasser und auserlesenen
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/109&oldid=- (Version vom 31.7.2018)