des nahenden Endes zu verscheuchen. Ich erinnerte mich noch genau, daß ich mit einer gewissen Neugier dem Kommenden entgegensah – wie ein Unbeteiligter, wie ein kaltherziger Zuschauer, der einen mit dem Tode Ringenden beobachtet und jede einzelne Phase des allmählichen Nachlassens der Kräfte und des letzten Aufflackerns des Lebensflämmchens voller Interesse aufzeichnet. Meine Persönlichkeit war gleichsam geteilt worden. Mein Körper starb dahin, mein Geist spielte den Arzt, der ein Tier viviseziert hat und das Nachlassen der Arbeit der einzelnen Organe mit der Gefühllosigkeit des begeisterten Wissenschaftlers feststellt.
Ich schluckte viel Seewasser. Mein Kopf pendelte hin und her. Traf mich ein Wellenkamm mit voller Wucht von vorn, so war’s, als erhielte ich Ohrfeigen – wie einst von meinem Vater, den ich – damals wurde es mir klar – insgeheim gehaßt hatte, aus jenem feinen Instinkt der Kindesseele heraus, der mich belehrte, daß dieser kühle, verschlossene Mann meine Mütter langsam ermordet hatte.
Wie lange ich in diesem Zustande merkwürdiger Gleichgültigkeit ein Spiel der Wellen gewesen, habe ich erst später ungefähr feststellen können: etwa anderthalb Stunden!
Dieser Zustand fand bei noch immer völlig verfinstertem Himmel und bei noch immer in Gießbächen herabplätscherndem Regen und orkanartigen Sturmstößen durch einen überaus schmerzhaften Stoß ein Ende, der meine linke Schulter traf.
Der Schmerz war’s, der mir Siedehitze über den Leib jagte, der meine Lebensgeister wieder
Max Schraut: Das tote Hirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1930, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_tote_Hirn.pdf/25&oldid=- (Version vom 31.7.2018)