den Herrn, und sie lassen es an dem, was dazu gehört, nicht fehlen. Gewöhnlicher Wein ist für sie zu gemein, Champagner muss es sein, und er fliesst in Strömen; ein Hazardspiel sorgt für angemessene Unterhaltung, das Geld rollt, und die Orgien dehnen sich oft bis zum frühen Morgen aus.
Die Sache gab mir zu denken. Ich fand es begreiflich, dass Leute, die den ganzen Tag in angespannter Thätigkeit verharrt hatten, des Abends nach vollendetem Tagewerk das Bedürfniss der Erholung empfanden, und ich konnte es ebenfalls verstehen, dass sie, die – um die Wendung aus dem Wettlauf des Swinegels und des Hasen auf der Buxtehuder Haide zu benutzen – ebenfalls „in ihrer Weise vornehme Herren“ waren, dem Drange nachgaben, ihre bei Tage minder durchführbaren Ansprüche darauf des Nachts zur Geltung zu bringen und das Beispiel der grossen Herren nachzuahmen, die sie bei Tage bedient hatten. Aber diese Erwägung schien mir doch nicht ausreichend zu sein, den unverhältnissmässigen, von den Gewohnheiten der Gesellschaftskreise, denen sie angehörten, so weit abliegenden Aufwand, den sie sich zu dem Zweck erlaubten, zu erklären, und ich fand keinen anderen Erklärungsgrund als die Eigenthümlichkeit und Reichhaltigkeit der Einnahmequelle, aus der sie denselben bestritten: das Trinkgeld. Wenn ungewöhnliche Verhältnisse es bewirken, dass der Satz, den der Verkehr sonst
Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/45&oldid=- (Version vom 31.7.2018)