der sich das obige des Stammgastes bewegt – man könnte letzteres im Gegensatz dazu das des Spiessbürgers nennen –, sondern der idealeren des socialen Ehrgeizes.
So gelange ich zu dem Resultat: der Egoismus hat das Trinkgeld eingeführt. Diejenigen, welche es ursprünglich, als es noch nicht zur zwingenden Einrichtung geworden war, zuerst entrichteten, wussten genau, was sie damit bezweckten: sie wollten damit etwas für sich erreichen, und sie erreichten es in der That – der Egoismus machte sich bezahlt.
Aber im Fortgang der weiteren Entwickelung hat er sich selber um den Gewinn gebracht. Der Same, den er ausstreute, hat ihm schliesslich statt der ursprünglichen Früchte Disteln eingetragen.
Der Hergang ist ein sehr einfacher. Als diejenigen, welche aus eigener Initiative nicht auf den Gedanken gekommen waren, Trinkgelder zu geben, inne wurden, was Andere damit erreichten, blieb ihnen, um nicht hinter Letzteren zurückgesetzt zu werden, nichts übrig, als auch ihrerseits dasselbe Mittel in Anwendung zu bringen, das sich bei jenen als so wirksam erwiesen hatte. So wurde das Trinkgeldergeben häufiger, schliesslich Gewohnheit.
Aber die blosse Gewohnheit ist noch keine Sitte. So lange das Trinkgeldergeben noch in dem Stadium der blossen Gewohnheit verharrte, stand es allen denjenigen, welche auf die dadurch zu
Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/26&oldid=- (Version vom 31.7.2018)