Hendrik Antoon Lorentz: Das Relativitätsprinzip und seine Anwendung auf einige besondere physikalische Erscheinungen | |
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da () die vom Leitungsstrom entwickelte Wärme ist, ist dieser Ausdruck leicht numerisch zu berechnen (wobei sich freilich ein der Beobachtung unzugänglicher Wert ergibt).
Fragt man sich nun, wie dieses dem Relativitätsprinzip widersprechende Resultat zustande kommen kann, so sieht man, daß man in Wirklichkeit nicht die Kraft berechnet hat, welche auf die Materie des Leiters wirkt, sondern die, welche die im Innern des Leiters beweglichen Elektronen angreift. Letztere Kraft muß erst durch Kräfte, die uns im einzelnen unbekannt sind, auf die Materie übertragen werden, und das geschieht nur dann ohne Änderung der Größe, wenn für die Kräfte zwischen Materie und Elektronen Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung besteht. Für bewegte Körper ist aber in diesem Fall nach dem Relativitätsprinzip die Wirkung nicht gleich der Gegenwirkung, und dieser Umstand kompensiert gerade genau jene Liénardsche Kraft.
Zusammenfassend kann man sagen, daß wenig Aussicht besteht, das Relativitätsprinzip experimentell zu bestätigen; es kommen außer einigen astronomischen Beobachtungen nur die Messungen der Masse der Elektronen in Betracht. Doch darf man nicht vergessen, daß der negative Ausfall verschiedener Versuche, wie des Michelsonschen Interferenzversuches und der Experimente zur Feststellung einer durch die Erdbewegung hervorgerufenen Doppelbrechung, nur durch das Relativitätsprinzip erklärt werden konnte.
Hendrik Antoon Lorentz: Das Relativitätsprinzip und seine Anwendung auf einige besondere physikalische Erscheinungen. B. G. Teubner, Leipzig und Berlin 1913, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Relativit%C3%A4tsprinzip_und_seine_Anwendung.djvu/16&oldid=- (Version vom 31.7.2018)