Bückt sich zu der knorrigen Staude mit den kleinen, gelben Blüten hinab, die da in einer Spalte am Fuße der Steinwand Wurzel geschlagen hat.
Bückt sich …
Reißt die Staude vorsichtig heraus – mit der Wurzel …
Es ist jetzt ganz hell geworden, wenn auch der Regen alles ringsum noch mit seinen Schleiern überzieht …
Sagt Doktor Georg Amalgi da, der Indien vielleicht besser kennt als Harald und ich:
„Ah – eine Kumussa!! Sie wissen also auch Bescheid.“
Die Goord nickt und bricht die lange, fingerdicke Wurzel in fünf etwa gleich große Stücke …
Meint: „Abbeißen, gut zerkauen und im Munde behalten ..!“
Für viele Worte ist Honoria nicht zu haben.
Wir auch nicht …
Nur der alte Hubert Enoch fragt:
„Und das hilft gegen die Cholera?“
„Gegen die Ansteckung … Schmecken Sie nur!“
Schmecken ..!!
Nun – daß die Cholerabazillen vor dem Geschmack dieser Kumussa streiken, ist kein Wunder …
Bittersalz, vermischt mit Petroleum und Karbol mundet fraglos besser!
Aber wenn man rechts und links neben sich entstellte Tote liegen hat, wenn die Nase rebellisch wird über so starkem Leichengeruch, dann – dann ist Kumussawurzel eine Wohltat, dann ist man froh, daß sie ebenso intensiv riecht wie schmeckt …
Ich zerkaue ein Stückchen meines Wurzelendes und schiebe die Fasern als Priem in die Backe … Den Rest der Wurzel stecke ich in die Westentasche.
Max Schraut: Das Eiland der Toten. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1925, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Eiland_der_Toten.pdf/15&oldid=- (Version vom 30.6.2018)