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Seite:Dante - Komödie - Streckfuß 164165.jpg

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Und hörte, wie sie ihn del Bello nannten.[1]

28
Doch du bemerktest eben nichts davon,

Weil auf dem Beltram deine Blicke weilten;
Als dieser ging, war jener schon entflohn.“

31
„„Weil Rach’ und Schwert des Feindes ihn ereilten,““[2]

Sprach ich, „„und Keiner seinen Tod gerächt,
Von allen denen, so die Kränkung theilten,

34
Zürnt er auf mich und zürnt auf sein Geschlecht,

Und ging drum, ohne mich zu sprechen, weiter,
Und darin, glaub’ ich, hat der Arme Recht.““

37
Nun folgt’ ich hin zum Felsen meinem Leiter,[3]

Von wo man überblickt’ den nächsten Schlund,
Wär’ irgend nur von Licht die Tiefe heiter.

40
Von seiner Höh’ ward unserm Auge kund

Der letzte Klaus’ des Kreises Uebelsäcken,[4]
Und deren Ordensbrüder tief im Grund,

43
Und gleich den Pfeilen drangen, mir zum Schrecken,

Gespitzt durch Mitleid, Jammertön’ heraus,
[165] Und zwangen mich, die Ohren zu bedecken.

46
Wär’ aller Schmerz aus jedem Krankenhaus

Zur Zeit, da wild die Sommergluten flammen,
Und Valdichiana’s und Sardiniens Graus[5]

49
Und Seuch’ und Pest in einem Schlund beisammen:

Nicht ärger wär’s als hier, wo fauler Duft
Und Stank vom Eiter in den Lüften schwammen.

52
Wir stiegen auf den Rand der letzten Kluft[6]

Vom langen Felsen niederwärts zur Linken,
Und deutlicher erschien der Schooß der Gruft.

55
In diesen Grund läßt nach des Höchsten Winken

Die nimmer irrende Gerechtigkeit
Zur wohlverdienten Qual die Fälscher sinken.

58
Nicht in Aegina ist vor alter Zeit

Des Volkes Anblick trauriger gewesen,
Das krank darniedersank, dem Tod geweiht,

61
– Bis zu dem kleinsten Wurm jedwedes Wesen –

Durch tückisch böse Luft, worauf im Land,
Wie wir für sicher in den Dichtern lesen,

64
Ein neues Volk aus Aemsenbrut entstand:

Als hier zu sehn war, wie sich schwach und siechend
Das Geistervolk in manchem Haufen wand.

67
Die Einen auf der Andern Rücken liegend,

  1. 27. Geri del Bello, ein Verwandter des Dichters, als Stifter von Zwietracht berüchtigt, war von einem Sachetti ermordet worden.
  2. 31. Der Dichter zeigt sich hier als echten Italiener, da er sich nicht von der Ueberzeugung trennen kann, der Schatten habe Ursache sich zu beschweren, daß Keiner seines Geschlechts seinen Mord durch blutige Selbsthülfe gerächt habe. Dreißig Jahre später soll, nach Landino, wirklich noch ein Verwandter des Geri, dieser von der italienischen Sittenlehre aufgelegten Pflicht gemäß, einen Sacchetti an der Thür seines Hauses ermordet haben.
  3. 37. Die Dichter überschauen nun von der Felsenbrücke die zehnte und letzte Abtheilung des achten Kreises, in welcher Fälscher aller Art an ekelhaften und gefährlichen Krankheiten darniederliegen. Auch diese Bezeichnung des Lasters durch die Strafe ist eine sehr allgemeine, denn jedes Laster ist eine moralische Krankheit, und ebenso gut würden die Sünder in den andern Kreisen mit derselben Strafe belegt werden können. Ob bei den besonderen Arten von Fälschung, welche wir im Folgenden mit besonderen Krankheiten bestraft sehen, ein genaueres Verhältniß zwischen Strafe und Verbrechen zu erkennen ist, wird sich weiter unten ergeben.
  4. 41. Ob der Dichter diese letzte Abtheilung hier nur zufällig eine Klause, einen Klosterbann nennt, weil die Verdammten überhaupt hier und in anderen Kreisen in ihren Strafort für immer gebannt sind, oder ob er aus besonderen Gründen den Strafort für die Fälscher so bezeichnet, weil er vielleicht voraussetzt, daß das klösterliche Leben meist zu einer fortgesetzten Fälschung Veranlassung gebe, möge unentschieden bleiben
  5. [165] 48. Valdichiana, eine sehr ungesunde Gegend bei Arezzo. Außer Sardinien, wo im Spätsommer in mehreren Gegenden eine sehr ungesunde Luft herrschen soll, ist im Original noch die Maremma benannt, ein sumpfiger Landstrich entlang des Meeresstrandes zwischen Pisa und Siena.
  6. 52. Die Dichter steigen wieder von der Höhe des Brückenbogens auf den Damm herunter, um der Tiefe näher zu sein, und so besser zu sehen, was sich dort befindet. – Der Leser ist vielleicht schon öfter auf die Frage gefallen: Wie Dante in dieser tiefen finstern Nacht überhaupt etwas sehen könne? – Der Uebersetzer weiß allerdings darauf keine bestimmte Antwort zu geben, da es dem Dichter nicht gefallen hat, die Sache näher zu erklären. Vielleicht verbreitet das Feuer, das wir an verschiedenen Orten der Hölle finden, namentlich das, welches den tugendhaften Helden leuchtet; das, welches auf die Gewaltthätigen gegen Gott herabfällt; das, welches in den Gräbern der Ketzer brennt; endlich das, in welchem die trügerischen Rathgeber verborgen sind, so viel Licht im ganzen Höllentrichter, daß darin allenthalben eine Dämmerung entsteht – vielleicht auch kann derjenige, welcher von Virgil, der Vernunft [und rechter politischer Einsicht, s. S. 7. 10] geleitet wird, nirgends von völliger Nacht umgeben sein.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 164 bzw. 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_164165.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)