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Seite:Dante - Komödie - Streckfuß 154155.jpg

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So sei nicht härter, als ich andre fand.““

58
Da grunzt’ und braust es in der Flamme Bauche,

Wie Feuer braust; sie regte hin und her
Das spitze Haupt und gab dann diese Hauche:

61
„Spräch’ ich zu Einem, dessen Wiederkehr

Nach jener Welt ich jemals möglich glaubte,
So regte nie sich diese Flamme mehr.

64
Doch da dies Keinem je die Höll’ erlaubte,

So sag’ ich ohne Furcht vor Schand’ und Schmach,
Was mich hierher stieß und des Heils beraubte.

67
Ich war erst Kriegesmann und Mönch hernach,[1]

Um mich vom Fall durch Buß’ emporzurichten;
Gewiß geschah auch, was ich mir versprach.

70
Allein der Erzpfaff – mög’ ihn Gott vernichten –[2]

Er hat mich neu den Sündern beigesellt;
Wie und warum? das will ich jetzt berichten.

73
Als ich noch oben lebt’ in eurer Welt,

Da ward ich nimmer mit dem Leu’n verglichen,
Doch öfters wohl dem Fuchse gleichgestellt.

76
In allen Ränken und geheimen Schlichen

War ich geschickt, in ihrer Uebung schlau,
Und drum berühmt in allen Himmelsstrichen.

79
[155] Doch als die Zeit kam, da des Haares Grau

Uns dringend mahnt, das hohe Meer zu scheuen,
Und einzuziehn das Segel und das Tau,

82
Da mußt’ ich, was mir erst gefiel, bereuen,

Ward Mönch und that nun Buß’ am heil’gen Ort,
Ach, und noch konnt’ ich mich des Heils erfreuen!

85
Allein der neuen Pharisäer Hort –[3]

Im Krieg, mit Juden nicht und Türkenschaaren,
Vielmehr am Lateran und nahe dort,

88
(Weil alle seine Feinde Christen waren,

Die nicht bei Acri mitgesiegt, und nicht
Des Sultans Land als Schacherer befahren!) –

91
Nicht achtet’ er an sich die höchste Pflicht,

Und nicht den Strick, der meinen Leib umfangen,
Der Jeden mager macht, den er umflicht.

94
Wie Constantin Sylvestern angegangen,[4]

Ihm Hülf’ und Rath beim Aussatz zu verleihn,
So sollt’ ich jetzt als Arzt auf sein Verlangen

97
Vom Fieber seines Hochmuths ihn befrein.

Im Anfang wollt’ ich mich der Antwort schämen,
Denn eines Trunknen schien sein Wort zu sein.

100
Da sprach er: darfst nicht sorgen, noch dich grämen,

Ablaß ertheil’ ich dir, mich lehre du:
Wie fang ich’s an, Preneste wegzunehmen?

103
Du weißt, den Himmel schließ’ ich auf und zu,

Denn beide Schlüssel sind mir übergeben,
Die Cölestin vertauscht um träge Ruh.[5]

106
Nicht war so trift’gem Grund zu widerstreben,

Und da nun Schweigen mir das Schlimmste schien,
So sprach ich endlich: Vater, da du eben

109
Die Sünde, die ich thun soll, mir verziehn,

  1. [67. Guido, Graf von Montefeltro, durch Tapferkeit wie durch List gleich berühmt V. 75, zeigte erstmals sein Feldherrntalent als Führer der Ghibellinen in den Kämpfen von 1272–81, wo er Sieg um Sieg errang: sodann an der Spitze der Pisaner gegen Florenz mit Genua und Lucca. – Von Martin mit dem Bann belegt, von Cölestin V. wieder gelöst, von Bonifaz VIII. sehr geehrt und in Wiederbesitz aller seiner noch eingezogenen Güter gesetzt, trat er plötzlich, der Welt und seines Ruhmes müde, zu Ancona in den Franziskanerorden, um sich einer – wie Dante auch in seinem „Gastmahl“ anerkennt – offenbar sehr ernst gemeinten Buße zu unterziehen. Nun fiel aber eben in jene Zeit, 1296–1298, des Papstes Kreuzzug gegen die römische Adelsfamilie der Colonna’s. Nachdem er ihnen Nepi genommen, wollte der nimmersatte Kirchenfürst auch ihren letzten Zufluchtsort Preneste, das jetzige Palästrina bei Rom, an sich bringen; und um diesen Hochmuth (V. 97) durchzusetzen, ließ er Guido im Kloster um einen Rath bitten. Guido konnte nicht widerstehen, das V. 106 ff. Erzählte anzugeben, was Bonifaz getreulich ausführte. Dante aber versetzt um dieses üblen Rathes willen den kühnen Kämpen, der um 1298 dann im Kloster gestorben sein soll, hieher in die Hölle.]
  2. 70. Bonifaz der Achte.
  3. [155] 85. Wie den Papst selbst, verabscheut der Dichter seine Kardinäle und Prälaten. – Bonifaz kämpfte nicht gegen die Sarazenen, von welchen die Christen wieder aus dem heiligen Lande vertrieben wurden, nicht gegen diejenigen, welche ihnen beistanden und ihnen alle Bedürfnisse zuführten, sondern gegen die edle römische Familie Colonna.
  4. 94. Constantin bat den heiligen Sylvester, ihn vom Aussatze zu befreien, und dieser bewirkte die Heilung, indem er den Kaiser taufte.
  5. 105. Ueber Papst Cölestin vgl. Anm. zu Ges. 3. V. 59. 60.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 154 bzw. 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_154155.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)