Zu Boden sank, vielleicht vom Krampf gebunden,
Vielleicht auch, weil in ihn ein Dämon fuhr,
Und um sich schauend stöhnt, verwirrt, entsetzt
Von großer Todesangst, die er empfunden;
O möge keiner Gottes Rach’ entzünden,
Der solche Streich’ in seinem Zorn versetzt!
Entgegnet’ er: „Ich bin seit Kurzem hier,
Von Tuscien hergestürzt nach diesen Schlünden,
Ich, Bastard Fucci, den man Vieh benannte.[1]
Und würd’ge Höhle war Pistoja mir.“
„„Er weicht uns aus – doch frag’ ihn: weshalb kam
Er hierher, da er stets von Mordlust brannte?““
Und Geist und Angesicht mir zugewendet,
Begann er nun, gedrückt von trüber Scham:
Um mich in diesem Jammerstand zu schau’n,
Als daß ich oben meinen Lauf geendet.
Daß ich im Heiligthum zu stehlen wagte,
Hat mich herabgestürzt in tiefres Grau’n,
Daß du mich sahst, soll wenig dich erfreu’n,
Kommst du je fort von hier, wo’s nimmer tagte.
[139] Pistoja wird die Schwarzen erst verjagen,[2]
Und dann Florenz so Volk als Sitt’ erneu’n.[3]
Zieht Mars den schweren Wetterdunst heraus,
Und Stürme tosen dann und Blitze schlagen
Daß sich zerstreut die Nebel plötzlich senken,
Und alle Weißen fliehn in Angst und Graus.
Ließ beide Daumen durch die Finger ragen,[4]
Und rief dann aus: „Nimm’s hin, dies gilt dir, Gott!“
Weil gleich um seinen Hals sich eine wand,
Als sagte sie: Du sollst nichts weiter sagen.
Sie vorn, sich selbst umwickelnd, so zusammen,
Daß er nicht Raum damit zu zucken fand.
- ↑ 125. Fuccio de’ Lazeri, ein Pistojenser von übel berufenem Charakter, wüthendster Parteigänger der Schwarzen. Dante wundert sich, ihm hier unter den Dieben zu finden, da er ihn doch nach dem Rufe, in welchem er gestanden, eher unter den Gewaltthätigen zu finden erwartet hätte. Aber Fuccio hatte die Kirchengefäße aus dem Dom von Pistoja gestohlen und sie bei seinem Freunde Vanni della Mona versteckt. Als der Verdacht des Diebstahls auf ihn fiel und er verhaftet wurde, bat er den Podesta, im Hause des Vanni nachsuchen zu lassen. Hier fand man die Gefäße, und Vanni wurde gehenkt.
- ↑ [139] [143 ff. Dem diabolischen Fucci gereicht es zur Freude dem „Weißen“, ghibellinischen Dante die Niederlage seiner Partei vorauszusagen. Der Leser weiß, daß dieselbe schon geschehen war. Im Jahr 1301, ungefähr gleichzeitig mit dem Sieg der Weißen in Florenz, wurden auch in Pistoja die Schwarzen vertrieben. Aber als ein Halbjahr später Valois in Florenz einzog (s. zu Ges. 1, 1,) und damit auch Lucca in die Hände der Schwarzen gefallen war zogen die Lucccheser unter Malaspina gegen Pistoja und siegten auf dem Picener Feld. Jener Malaspina hieß von seinen Besitzungen im Thal der Magra „der Nebel-Mars aus dem Magra-Thal.“ Daher V. 145.]
- ↑ 144. [d. h. ebenfalls ganz zu den Schwarzen sich wenden.]
- ↑ XXV. 2. Far le fiche, den Daumen zwischen dem Mittelfinger und Zeigerfinger bei geballter Faust vorstrecken. Die Geberde zeigt in Italien höhnende Verachtung und herausfordernden Trotz an.
- ↑ 4. Dante hat sich seitdem mit den Schlangen um deswegen befreundet, weil er gesehen, wie sofort eine die Verruchtheit des Gotteslästerers bestraft hat.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: VII. Kreis
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 60 bzw. 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_138139.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)