Gab einst den Pharisäern diesen Rath:[1]
Mög’ Eines Tod fürs Volk den Zorn versöhnen!
Und fühlen muß er, wenn wir drüber wallen,
Wie viel Gewicht von uns ein Jeder hat.
Vom Pharisäer-Rath, durch den so viel
Der schlimmen Saat für Juda’s Volk gefallen.“
Daß der, gestreckt am Kreuz an diesem Orte
So schmählich lag im ewigen Exil.
„Sagt, wenn ihr dürft, ist rechts die Straße frei,
Und ist wohl eine Schlucht dort, die als Pforte
Ohn’ einen von den Teufeln erst zu bannen,
Daß er zum Weitergehn uns Führer sei?“
So seht ihr einen Stein vom großen Rund
Als Steg sich über alle Thäler spannen.
Allein ihr könnt die Trümmer leicht ersteigen,[4]
Denn, schief sich lagernd, stehn sie aus dem Grund.“
Drauf sprach er: „Mußte doch der Teufel hier[5]
[133] Sich wiederum in schlechtem Rathschlag zeigen.“
Der Teufel sei ein Lügner stets, ein dreister,
Ja, aller Lügen Vater für und für.“
Und schien ein wenig zornig und erboßt,
Und ich verließ die bleibeschwerten Geister,
Wo Nacht den halben Tag nur deckt und mild
Im Wassermann erglänzen Phöbus Haare,
Am Abend deckt, bei scharfen Morgenlüften
Vom Bruder Schnee ein schnell verwischtes Bild.
- ↑ 116. 121. Kaiphas und Hannas.
- ↑ 124. Virgil staunt, weil er bei seiner ersten Höllenwanderung (vor Christo) natürlich den Kaiphas noch nicht unten gefunden hatte.
- ↑ [136. S. Ges. 12, 36 ff. 45. – Das dortige „anderwärts“ bezieht sich auf diese Stelle. – Sinnig zeigen sich also die Spuren des Erdbebens an Jesu Todestag hier und bei den Gewaltthätigen. Denn an jenem Tage vollbrachte Gewaltthat das, was Heuchelei angesponnen hatte. Notter.]
- ↑ 137. Die Trümmer der eingestürzten Brücke bilden einen Abhang, auf welchem zwar nicht die Heuchler selbst mit ihren schweren Bleikutten (Ges. 24 V. 31), wohl aber Leute, die von der Vernunft geleitet unterstützt werden, den Weg aus den Tiefen der Heuchelei wieder herausfinden.
- ↑ 140 ff. Vergl. Anmerk. zu Ges. 21 V. 106. Ob übrigens Bruder Catalan die V. 142 – 144 vorgetragene Wahrheit, Joh. 8. 44, auf der Universität von Bologna gehört habe, oder ob die Moralität der [133] Bologneser, die Ges. 18 V. 58 und 59 eben nicht vortheilhaft geschildert ist, damit näher habe bezeichnet werden sollen, muß dahingestellt bleiben.
- ↑ XXIV. 1. Die Sonne tritt im letzten Drittheil des Januar in das Zeichen des Wassermannes, in welchem sie während der ersten zwei Drittheile des Februar bleibt. Die Zeit, von welcher hier die Rede, ist also die in der Mitte des Februar, in welcher die Nacht, wenn man die Abend- und Morgendämmerung abrechnet, etwa zwölf Stunden lang dauert und die eigentliche Tag- und Nachtgleiche bald bevorsteht. Um diese Zeit hat die Sonne in Italien schon eine solche Kraft gewonnen, daß Schnee zu den Seltenheiten gehört. Der Bauer darf daher erstaunt sein, wenn er am Morgen die Flur rings herum weiß sieht. Aber der Reif, mit welchem sie bedeckt ist, weicht bald der aufgehenden Sonne.
Auf die Schönheit des Gleichnisses in sich selbst brauchen wir kaum aufmerksam zu machen. Auch wird man wohl erkennen, wie es die beschriebene Situation anschaulich macht. Dante, gewohnt, den Meister immer ruhig und wohlwollend zu sehen, sah ihn, am Ende des vorigen Gesanges, erzürnt über den Betrug des Teufels, und war daher, der weiteren Lehren des Meisters bedürfend, betreten, wie der Bauer, der, des Futters für seine Heerde bedürfend, im Frühlinge die Felder weiß sieht. Aber Virgils Zürnen dauert nicht länger, als der Reif im Frühlinge, und bald wird durch wiederkehrende Heiterkeit die Besorgniß des Dichters gehoben.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: VII. Kreis
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 132 bzw. 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_132133.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)