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Seite:Dante - Komödie - Streckfuß 130131.jpg

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64
Gold außen, blendend durch des Glanzes Pracht,

Von innen Blei, schwer, daß von Stroh erscheinen,
Die Friedrich für den Hochverrath erdacht.[1]

67
O Mantel, lastend unter ew’gen Peinen!

Mit ihnen links uns wendend gingen mit[2]
Wir, horchend auf ihr jammervolles Weinen.[3]

70
Doch so erschwert war durch die Last ihr Tritt,

Daß neben uns, so oft wir vorwärts traten,
Ein neuer Sünder durch das Dunkel schritt.

73
Ich sprach: „„O sieh dich um! ist wohl durch Thaten

Und Namen mir von diesen wer bekannt?
Und sage mir’s, sobald wir Einem nahten!““

76
Und Einer, der Toscanisch wohl verstand,

Rief hinter uns: „O bleibt ein wenig stehen,
Ihr, die ihr rennt durch dieses dunkle Land.

79
Was du verlangst, kann wohl durch mich geschehen!“

Da wandte sich mein Herr und sprach: „Halt’ an,
Und suche langsam, wie er selbst, zu gehen.“

82
Ich stand und sah nun Zwei, die, um zu nahn,

Sich sehr anstrengten und sich weidlich plagten,
Gehemmt von schwerer Last und enger Bahn,

85
Dann, angelangt, mit keinem Worte fragten,

Vielmehr nach mir den scheelen Blick gedreht,
Sich unter sich besprechend, dieses sagten:

88
Der lebt, wie ihr am Zug des Odems seht,[4]

Und welcher Freibrief dient zu ihrem Schilde,
Daß der und jener ohne Bleirock geht?“

91
Zu mir dann: „Tusker, der du zu der Gilde

Der Heuchler kommst, zu ihrem trüben Leid,
Wer bist du? sag’ es uns mit Huld und Milde.“

94
Und ich: „„Mich hat die Stadt voll Herrlichkeit

[131] Am Arnostrand geboren und erzogen,
Und diesen Körper trug ich jederzeit.

97
Doch wer seid ihr, von deren Wang’ in Wogen

Ein Thränenstrom so schmerzlich niederrinnt?
Und was hat euch solch’ Uebel zugezogen?““

100
Und Einer sprach: „Die gelben Kutten sind

Von Blei, so schwer, daß ihr Gewicht der Wage,[5]
Die’s trägt, ein heulend Knarren abgewinnt.

103
Lustbrüder waren wir von gleichem Schlage,[6]

Ich Catalano, Loderingo Er,
Von deiner Stadt erwählt an einem Tage,

106
So wie man einen Einzigen vorher,

Als Friedenswahrer wählt’ – und wie wir waren
Zeigt beim Gardingo noch sich rings umher.“

109
Und ich begann: „„Das Leid, das ihr erfahren –““[7]

Doch schwieg und mußt’ an dreien Pfählen dort
Gekreuzigt Einen auf dem Grund gewahren.

112
Als er mich sah, verrenkt’ er sich sofort,

Und haucht in seinen Bart mit lautem Stöhnen,
Und Bruder Catalan sprach dieses Wort:

115
„Der Angepfählte, dessen Klagen tönen,

  1. 66. Kaiser Friedrich der Zweite soll diejenigen, die des Verbrechens der beleidigten Majestät schuldig waren, mit Mänteln von Blei bekleiden und sie in einem großen Gefäße übers Feuer haben setzen lassen, damit das geschmolzene Blei ihren Körper gänzlich verzehre – [ohne Zweifel ein böswillig ersonnenes Märchen.]
  2. 68. [„Links“ s. Ges. 18, 19. Anm.
  3. 69. „Mit ihnen“ d. h. in gleicher Richtung.
  4. 88. Die Schatten athmen nicht.]
  5. [131] 101. 102. Die Wage, die dies Gewicht trägt, sind die Sünder selbst, die unter der Last stöhnen, wie wohl eine Wage knarrt, wenn eine große Last auf ihr gewogen wird.
  6. 103. Von Urban dem Vierten war ein Ritterorden unter dem Namen des Ordens der heiligen Maria gestiftet worden, dessen Mitglieder gegen die Ungläubigen kämpfen sollten. Aber statt dies zu thun, blieben sie zu Hause und lebten in Lust und Freude, daher sie mit dem Spitznamen Lustbrüder (Frati godenti) belegt wurden. Die beiden, von welchen hier die Rede ist, wurden, – nach Manfreds Niederlage bei Benevent 1266 – von den Florentinern berufen, um gemeinschaftlich das Amt des Podesta zu verwalten, das sonst nur in der Hand eines Mannes war. [Ungeachtet man sie eben als unparteiische Männer berufen und der eine der guelfischen, der andere der ghibellinischen Richtung angehörte, damit sie sich gegenseitig das Gleichgewicht hielten, so verkauften sie sich beide, „trotz ihrer geheuchelten Unparteilichkeit“, doch den Guelfen und halfen ihnen zur Vertreibung der Ghibellinen. Die Häuser der Uberti, die am Gardingo, einer Straße von Florenz, standen, wurden bei dieser Gelegenheit zerstört.]
  7. 109. [– „ist wohlverdient“ mag man etwa ergänzen oder etwas Aehnliches.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 130 bzw. 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_130131.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)