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Seite:Dante - Komödie - Streckfuß 118119.jpg

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25
Da wandt’ ich mich, gleich Einem, den mit Macht

Es zieht, das was er fliehen soll, zu sehen,
Und der, da jähe Furcht ihn schaudern macht,

28
Doch, noch im Schau’n, nicht zögert fortzugehen.

Und sieh, ein rabenschwarzer Teufel sprang
Uns hinterdrein auf jenen Felsenhöhen.

31
Ach, wie sein Ansehn mich mit Graus durchdrang,

Wie wild er schien, wie froh in Andrer Schaden!
Gespreizt die Schwingen, leicht und schnell den Gang,

34
Kam er, die Schultern hoch gespitzt, beladen

Rittlings mit einem armen Sünder schwer,
Und mit den Krallen packt’ er seine Waden.

37
Von Lucca bring’ ich einen Rathsherrn her,“[1]

Schrie er, „auf, taucht ihn unter, Grimmetatzen![2]
Gleich kehr’ ich um und hole andre mehr,

40
Denn jene Stadt ist voll davon zum Platzen;

Gauner sind Alle dort, nur nicht Bontur,[3]
Und machen Ja aus Nein für blanke Batzen.“

43
Hinunter warf er dann den Sünder nur,

Und rannte gleich zurück in solcher Eile,
Wie je der Hofhund nach dem Diebe fuhr.

46
Der Sünder sank, doch hob sich sonder Weile,

Da schrien die Teufel unten: „Fort mit dir,
Hier dient kein Heil’genbild zu deinem Heile.[4]

49
Ganz anders, als im Serchio, schwimmt man hier.[5]

Und sollen dich nicht unsre Haken packen,
So bleib’ im Peche nur, sonst fassen wir.“

52
[119] Gleich stießen sie mit hundert scharfen Zacken,

Und schrien: „Dein Tänzchen mache hier versteckt.
Such’ unten Einem etwas abzuzwacken.“

55
Nicht anders macht’s ein Koch, wenn er entdeckt,

Das Fleisch im Kessel komm’ emporgeschwommen,
Und schnell es mit dem Haken untersteckt.

58
Virgil sprach: „Geh, eh’ sie dich wahrgenommen,[6]

Und ducke dich bei jener Felsenbank;
Durch diese wirst du ein’gen Schirm bekommen.

61
Mir ist das Ding nicht fremd, drum bleibe frank

Von jeder Furcht, was man mir auch erzeige,
Denn früher war ich schon in solchem Zank.“[7]

64
Dann ging er jenseits auf dem Felsensteige,

Und wie er hingelangt zum sechsten Strand,
That’s Noth ihm, daß er sichre Stirne zeige.

67
Denn wie, in Sturm und Wuth hervorgerannt,

Die Haushund’ auf den armen Bettler fallen,
Wenn er am Haus, laut flehend, stille stand;

70
So stürzten Jen’ aus dunkeln Felsenhallen,

Und streckten All’ auf ihn die Haken hin,
Er aber schrie: „Zurück jetzt mit euch Allen,

73
Mich anzuhaken habt ihr wohl im Sinn?

Doch tret’ erst Einer vor, um mich zu sprechen,
Und dann bedenkt, ob ich zu packen bin.“

76
„Geh vor denn, Stachelschwanz!“ So schrien die Frechen,

Und Einer kam – die Andern blieben stehn –
Und fragte, „wie er wag’, hier einzubrechen?“

79
„Wie“, sprach mein Meister, „würdest du mich sehn,

Wie würd’ ich wagen, je hier einzudringen,
Bin ich auch sicher, euch zu widerstehn,

82
Wenn’s Gott und Schicksal also nicht verhingen?

Drum laß mich zieh’n, der Himmel will, ich soll


  1. 37. Die Verwaltung von Lucca mag hiernach zu jener Zeit vorzüglich im Rufe der Bestechlichkeit gestanden haben. Der Spott wird im Original dadurch noch schärfer, daß die Stadt nicht genannt, sondern nur mit dem Namen ihrer heiligen Schutzpatronin, der S. Zitta bezeichnet wird.
  2. 38. Grimmetatzen, im Original Malebranche. Da dieser Name und die Namen der Teufel gewisse Begriffe bezeichnen, so sind sie durch deutsche, so gut es ging, ersetzt worden.
  3. 41. Bontur, offenbar der ärgste unter den Gaunern von Lucca.
  4. 48. Wahrscheinlich eine Andeutung, daß die Schlechtesten eben die Eifrigsten in der äußern Frömmigkeit sind.
  5. 49. Serchio, ein Fluß, der nicht weit von den Mauern der Stadt fließt.
  6. [119] 58. ff. Virgil räth dem Dante, sich nicht eher zu zeigen, bis er sich gegen die Teufel, so wie V. 79 ff. geschieht, legitimirt, und ihnen dadurch Respect eingeflößt habe, weil sie sonst sogleich wüthend über ihn herfallen würden.
  7. 63. Erinnerung an die frühere Reise Virgils durch die Hölle. Vgl. Ges. 9. V. 22 ff. Ges. 23, 124 Anm.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 118 bzw. 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_118119.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)