Es zieht, das was er fliehen soll, zu sehen,
Und der, da jähe Furcht ihn schaudern macht,
Und sieh, ein rabenschwarzer Teufel sprang
Uns hinterdrein auf jenen Felsenhöhen.
Wie wild er schien, wie froh in Andrer Schaden!
Gespreizt die Schwingen, leicht und schnell den Gang,
Rittlings mit einem armen Sünder schwer,
Und mit den Krallen packt’ er seine Waden.
Schrie er, „auf, taucht ihn unter, Grimmetatzen![2]
Gleich kehr’ ich um und hole andre mehr,
Gauner sind Alle dort, nur nicht Bontur,[3]
Und machen Ja aus Nein für blanke Batzen.“
Und rannte gleich zurück in solcher Eile,
Wie je der Hofhund nach dem Diebe fuhr.
Da schrien die Teufel unten: „Fort mit dir,
Hier dient kein Heil’genbild zu deinem Heile.[4]
Und sollen dich nicht unsre Haken packen,
So bleib’ im Peche nur, sonst fassen wir.“
Und schrien: „Dein Tänzchen mache hier versteckt.
Such’ unten Einem etwas abzuzwacken.“
Das Fleisch im Kessel komm’ emporgeschwommen,
Und schnell es mit dem Haken untersteckt.
Und ducke dich bei jener Felsenbank;
Durch diese wirst du ein’gen Schirm bekommen.
Von jeder Furcht, was man mir auch erzeige,
Denn früher war ich schon in solchem Zank.“[7]
Und wie er hingelangt zum sechsten Strand,
That’s Noth ihm, daß er sichre Stirne zeige.
Die Haushund’ auf den armen Bettler fallen,
Wenn er am Haus, laut flehend, stille stand;
Und streckten All’ auf ihn die Haken hin,
Er aber schrie: „Zurück jetzt mit euch Allen,
Doch tret’ erst Einer vor, um mich zu sprechen,
Und dann bedenkt, ob ich zu packen bin.“
Und Einer kam – die Andern blieben stehn –
Und fragte, „wie er wag’, hier einzubrechen?“
Wie würd’ ich wagen, je hier einzudringen,
Bin ich auch sicher, euch zu widerstehn,
Drum laß mich zieh’n, der Himmel will, ich soll
- ↑ 37. Die Verwaltung von Lucca mag hiernach zu jener Zeit vorzüglich im Rufe der Bestechlichkeit gestanden haben. Der Spott wird im Original dadurch noch schärfer, daß die Stadt nicht genannt, sondern nur mit dem Namen ihrer heiligen Schutzpatronin, der S. Zitta bezeichnet wird.
- ↑ 38. Grimmetatzen, im Original Malebranche. Da dieser Name und die Namen der Teufel gewisse Begriffe bezeichnen, so sind sie durch deutsche, so gut es ging, ersetzt worden.
- ↑ 41. Bontur, offenbar der ärgste unter den Gaunern von Lucca.
- ↑ 48. Wahrscheinlich eine Andeutung, daß die Schlechtesten eben die Eifrigsten in der äußern Frömmigkeit sind.
- ↑ 49. Serchio, ein Fluß, der nicht weit von den Mauern der Stadt fließt.
- ↑ [119] 58. ff. Virgil räth dem Dante, sich nicht eher zu zeigen, bis er sich gegen die Teufel, so wie V. 79 ff. geschieht, legitimirt, und ihnen dadurch Respect eingeflößt habe, weil sie sonst sogleich wüthend über ihn herfallen würden.
- ↑ 63. Erinnerung an die frühere Reise Virgils durch die Hölle. Vgl. Ges. 9. V. 22 ff. Ges. 23, 124 Anm.
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 118 bzw. 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_118119.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)